Die Rolle nationaler Gesundheitssysteme in Zeiten der digitalen Transformation​

Transkript

Intro

Die Digitalisierung schafft wesentliche Voraussetzungen für effiziente, leistungsfähige Gesundheitssysteme. Die Aufgabe einer nationalen Gesundheitsplattform ist es, Spielregeln für diesen Prozess festzulegen.

Kann die Digitalisierung im Gesundheitsbereich nationale Gesundheitssysteme verbessern, und welche Funktion können digitale Ökosysteme dabei übernehmen?

Die WHO setzt hohe Erwartungen in die Digitalisierung als Katalysator, der dazu beitragen wird, Gesundheitssysteme zu stärken. Viele Gesundheitssysteme stehen vor der Herausforderung, mit begrenzten Ressourcen ehrgeizige Ziele zu erreichen. Und ohne Werkzeuge wie digitale Plattformen, die die Verteilung dieser begrenzten Mittel optimieren und dafür sorgen, dass Dienstleistungen diejenigen rechtzeitig erreichen, die sie am meisten brauchen, werden Ressourcen verschwendet. Deshalb ist die Digitalisierung ein Schlüssel für die Entwicklung effizienter, leistungsfähiger Gesundheitssysteme.

Wie sollten nationale Gesundheitssysteme die digitale Transformation gestalten?

Es kommt entscheidend darauf an, dass die digitale Transformation nicht chaotisch verläuft. Während der vergangenen beiden Jahrzehnte wurden Milliarden Dollar unkoordiniert ausgegeben und erzielten deshalb weder die erhoffte Wirkung noch die gewünschte Reichweite. Nationale Gesundheitssysteme und Regierungen brauchen daher klare Zielvorstellungen für ihre Länder und Modelle oder Pläne dafür, wie die Transformation geschehen soll. Existiert ein solcher Plan, eine Struktur, dann gibt es auch Spielräume für viele Akteure, die dazu beitragen können, die Ziele zu erreichen.

Wie bedeutsam sind Qualität, Wahrheit und Vertrauen bei der Entwicklung digitaler Gesundheitslandschaften?

Das sind drei sehr wichtige Worte, Qualität, Wahrheit und Vertrauen. Qualität bedeutet, dass der Inhalt und die grundlegenden Standards dieser Systeme allerhöchsten Kriterien genügen. Dies zu gewährleisten ist Aufgabe von Organisation wie der Weltgesundheitsorganisation. Wahrheit und Vertrauen wurden im Verlauf der letzten zehn Jahre untergraben, weil Fehlinformationen, absichtliche Desinformation, Fake News u.ä. sich verbreitet haben. Deshalb kommt es ganz wesentlich darauf an, dass wir Werkzeuge wie die Digitalisierung der Gesundheitssysteme einsetzen, um den Zugang zu wahrer, vertrauenswürdiger Information zu sichern, von der die Menschen bei Entscheidungen in Gesundheitsfragen ausgehen können.

Wie können nationale Gesundheitssysteme Datenmonopole und den Verlust der Kontrolle verhindern?

Die nationalen Gesundheitssysteme und Regierungen tragen in hohem Maß Verantwortung dafür, die Datenhoheit und Privatsphäre der Menschen zu schützen. Die Datenhoheit und die Entscheidungen über die Datennutzung müssen immer in der Hand des Individuums bleiben, von dem die Daten stammen. In großen Systemen ist es jedoch wichtig, dass die Regierungen Regeln vorgeben und die Grenzen abstecken, innerhalb derer der Tech-Sektor und andere Partner aus der Industrie und dem Privatsektor so agieren können, dass sie die Ziele des öffentlichen Gesundheitssystems unterstützen.

Welche Aufgaben könnte eine nationale Gesundheitsplattform in der personalisierten und am Menschen orientierten Gesundheitsversorgung der Zukunft übernehmen?

Eine nationale Gesundheitsplattform legt die Spielregeln fest. Sie steckt die Grenzen ab, schafft Leitplanken, innerhalb derer all die verschiedenen Akteure zusammenwirken können. Indem wir eine Vision, eine Struktur und Standards vorgeben, schaffen wir die Grundlage für viele verschiedene Lösungen und Innovationen, die nicht als einzelne Neuerungen, sondern erst als Teil eines Systems ihre volle Wirkung entfalten. Und wir sorgen dafür, dass der Patient, das Individuum, immer im Mittelpunkt all der verschiedenen Bestrebungen steht.

Inhalt

Dr. Alain Labrique ist Direktor des Departments für Digitale Gesundheit und Innovation bei der Weltgesundheitsorganisation. Er ist der Gründungsdirektor der Global mHealth Initiative der Johns Hopkins University und Chefredakteur des Oxford Open Digital Health Journals. Bis September 2022 war der Epidemiologe für Infektionskrankheiten und Bevölkerungswissenschaftler Professor an der Bloomberg School of Public Health der Johns Hopkins University. Labrique war federführender Autor der Bellagio Declaration on mHealth Evidence von 2012 und hat über 150 Veröffentlichungen in hochrangigen Fachzeitschriften sowie viele Buchkapitel und technische Berichte zu Digitaler Gesundheit verfasst.

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