Redaktionelle Erstellung vs. Brokering: Woher kommen die Inhalte?

Prof. Dr. Laura Schulte

Die im Projekt „Trusted Health Ecosystems“ skizzierte Vision einer nationalen Gesundheitsplattform wirft die Frage nach der Herkunft der dort angebotenen Inhalte und Dienste auf. Ein bedarfsgerechtes Angebot stellt hohe Anforderungen an die Vielfalt und den Umfang der Informationen und Dienste, denen ein Anbieter allein kaum gerecht werden kann. Die Inhalte müssen jedoch nicht zwangsläufig vom Plattformbetreiber selbst bereitgestellt werden. Die folgenden Überlegungen gehen der Frage nach, ob der Plattformbetreiber eigene Informationen erstellen oder sich eher auf die Vermittlung von Fremdinformationen beschränken sollte.

Herausforderung

Mit der Verbreitung von Informationen gehen bestimmte rechtliche Anforderungen einher, die sich ganz grundsätzlich danach unterscheiden, wem die Inhalte zuzuordnen sind. Die Frage der Zuordnung beurteilt sich im Wesentlichen danach, welcher Eindruck hinsichtlich der Urheberschaft bzw. der Verantwortung für Inhalte bei den Nutzerinnen und Nutzern eines Informationsangebots erweckt wird. Die in diesem Kontext relevanten rechtlichen Anforderungen können von präventiven Prüfpflichten hinsichtlich der Richtigkeit der Inhalte, der Erlaubniseinholung bei fremden Inhalten, der Anbieterkennzeichnungspflichten bis hin zur Löschung von rechtswidrigen Inhalten reichen.

Für die Mehrheit aller Informationsangebote wird davon ausgegangen, dass bei Bereitstellung fremder Informationen eine Prüfpflicht hinsichtlich deren Richtigkeit und Rechtmäßigkeit im Vorfeld nicht besteht, dann aber bei Hinweisen auf mögliche Rechtsverletzungen eine Prüfpflicht ausgelöst wird. Anders ist die Situation zu bewerten, wenn der Anbieter sich fremde Inhalte zu eigen macht. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Eindruck erweckt wird, der Anbieter habe die Informationen selbst überprüft oder sehe sie selbst auf anderer Grundlage als richtig an.

Neben diesen haftungsrechtlichen Überlegungen hat die Abwägung zwischen der Erstellung eigener Informationen und dem Rückgriff auf die Informations- und Serviceangebote Dritter auch Implikationen für die rechtssichere Positionierung der angedachten nationalen Gesundheitsplattform. So ist zu bedenken, dass die Entscheidung für die Erstellung eigener Inhalte durch einen überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanzierten Betreiber Auswirkungen auf die Handlungsspielräume privatwirtschaftlicher Akteure haben und die am Markt tätigen Unternehmen benachteiligen könnte. Staatliches Informationshandeln steht immer unter der einschränkenden Voraussetzung, dass – neben weiteren Bedingungen – insoweit eine staatliche Aufgabe erfüllt werden muss (s. a. Staatliches Informationshandeln).

Die Verteilung von qualitätsgeprüften, gesundheitsrelevanten Informationen liegt zwar im Interesse gesundheitlicher Aufklärung und damit auch im Interesse staatlicher Gesundheitspolitik. Ein allgemeiner staatlicher Auftrag bzw. eine gesetzliche oder gar verfassungsrechtliche Aufgabenzuweisung, aus der sich explizit der Betrieb einer nationalen Drehscheibe für Informationen ergibt, besteht allerdings (noch) nicht.

Hintergrund

Unabhängig von einer urheberrechtlichen Zuordnung von Informationen stellt sich zunächst die Frage, wer im Außenverhältnis als verantwortlicher Anbieter eines Informationsangebots anzusehen ist. Dies kann auch eine juristische Person sein, die sich die Informationen beschafft hat, beispielsweise über eine Lizenzvereinbarung oder eine sonstige Bereitstellung durch Dritte.

Rechtlich sind online verfügbare Informationsangebote als Telemediendienste zu qualifizieren und fallen damit unter die Regulierung nach dem Telemediengesetz (TMG). Für alle Telemedien ist vorgegeben, dass ein Anbieter im Rahmen der Impressumspflicht gem. § 5 TMG zu benennen ist. Soweit ein Telemediendienst darüber hinaus journalistische oder redaktionelle Inhalte bereitstellt, muss zugleich auch eine rechtlich für den Inhalt – im Gegensatz zu der Informationsplattform an sich – verantwortliche Person benannt werden.

Diese Transparenzpflichten dienen dazu, im Falle rechtlicher Auseinandersetzungen eine Einrichtung bzw. eine Person zu nennen, gegenüber der die Ansprüche geltend gemacht werden können. Die Anbietereigenschaft besagt dabei aber nicht zwingend, dass alle Informationen oder sonstigen Inhalte wirklich von diesem Anbieter stammen müssen. Sie ist zunächst nur eine formale Zuordnung, damit für jedes Telemedienangebot immer eine klare Festlegung der Verantwortlichkeit erfolgt. Es ist also zu differenzieren nach der Verantwortung für eine technische Plattform einerseits und die auf der Plattform verbreiteten Inhalte andererseits. Zwar kann für beides ein und dieselbe Stelle im rechtlichen Sinne verantwortlich sein, doch dies muss nicht zwingend der Fall sein.

Anbieter im Sinne des Telemediengesetzes können damit auch solche Einrichtungen bzw. Personen sein, die selbst keinen inhaltlichen Einfluss auf die Informationen genommen haben und diese nur als fremde Informationen bereitstellen. Der Anbieter ist also erster Ansprechpartner für eigene und für fremde Inhalte, allerdings ergeben sich im Weiteren Unterschiede bei der Verantwortlichkeit, etwa der Geltendmachung von Beseitigungs- und/oder Schadensersatzansprüchen im Falle der Veröffentlichung rechtswidriger oder falscher Inhalte.

Im Grundsatz muss primär die Stelle, von der die Inhalte stammen, Verantwortung für diese übernehmen, etwa der Autor oder die Autorin eines Textes bzw. die Stelle, die eine Studie oder Grafik entwickelt und verbreitet. Der Betreiber eines Informationsangebots muss aus juristischer Perspektive selbst unmittelbar keine Verantwortung für fremde Inhalte übernehmen. Vielmehr findet im ersten Schritt lediglich eine Haftung für eigene, aber nicht für fremde Inhalte statt.

In rechtlicher Hinsicht kommt es für die Abgrenzung von eigenen und fremden Inhalten darauf an, von wem die Inhalte jeweils erkennbar stammen. Hierbei ist allerdings nicht die Urheberschaft relevant; maßgeblich ist vielmehr die Wahrnehmung der Nutzerinnen und Nutzer. Folgt keine oder keine eindeutige Abgrenzung bei einem Informationsangebot, geht der Nutzer im Regelfall davon aus, dass alle Informationen entweder von dem Anbieter der Plattform stammen oder der Anbieter sich zumindest fremde Inhalte zu eigen macht.

Nur wenn für Nutzer erkennbar ist, dass die abrufbaren Inhalte nicht von dem Anbieter stammen und dieser sich auch nicht mit den Inhalten in dem Sinne identifiziert, dass er erkennbar Verantwortung für diese übernehmen möchte, handelt es sich um fremde Angebote. Ein Verweis auf die Fremdheit ist dabei etwa in der Form möglich, dass für die einzelnen Inhalte transparent auf einen anderen Ansprechpartner oder eine externe Quelle verwiesen wird.

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass privat- bzw. zivilgesellschaftliche Akteure durchaus in der Lage sind, entsprechende Informationen selbst zu generieren und zu verteilen. Vor diesem Hintergrund erscheint es empfehlenswert, im Rahmen der nationalen Gesundheitsplattform unter Berücksichtigung sowohl staatlicher wie auch privatwirtschaftlicher bzw. zivilgesellschaftlicher Potenziale gesundheitsrelevante Informationen, die grundsätzlich von Fremdanbietern bereitgestellt werden, einer möglichst breiten Öffentlichkeit niederschwellig zugänglich zu machen. Im Ergebnis sollten von dem Betreiber der Plattform keine eigenen Inhalte erstellt und verteilt werden.

„Die nationale Gesundheitsplattform sollte sich auf die Bündelung und Komposition von Fremdinhalten beschränken.“

Prof. Dr. Laura Schulte

Unter praktischen Gesichtspunkten ist zu überlegen, wie Dritte motiviert werden können, ihre Inhalte der Plattform zur weiteren Verteilung zur Verfügung zu stellen. Es ist davon auszugehen, dass die Bereitstellung von Informationen durch Dritte für diese vor allem dann attraktiv ist, wenn ein hochwertiges Umfeld geboten wird und die Zulieferer von Informationen als Quelle angegeben werden.

Wichtig erscheint zudem eine klare Definition von Vorgaben, welche Inhalte aufgenommen werden und wie mit diesen generell verfahren wird, etwa wie die Darstellung der Informationen erfolgen soll und in welchen Abständen diese ggf. zu aktualisieren sind. In einem solchen Umfeld ist es dann auch denkbar, dass mehrere gleichwertige Angebote bzw. Informationen angeboten werden, um den Nutzerinnen und Nutzern eine möglichst umfangreiche und neutrale Auswahl zu bieten.

Fazit

Unabhängig von den rechtlichen Aspekten ist es vor allem eine strategische Entscheidung, ob Informationen als eigene Informationen übernommen und angeboten werden sollen. Die Bereitstellung eigener Informationen ist in der Regel mit größerem Aufwand verbunden, sei es für die Erstellung entsprechender Inhalte oder deren Beschaffung. Bei Fremdinhalten ist der Aufwand geringer, dafür entsteht ein Koordinierungs- und Abstimmungsaufwand. Hier muss außerdem sichergestellt werden, dass das gewünschte Qualitätsniveau erreicht wird.

Im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Aspekte wäre ein marktoffenes Angebot von Fremdinhalten gegenüber dem Zu-eigen-Machen oder der Erstellung eigener Inhalte vorzuziehen, um einen möglichen Eingriff in die Grundrechte von Informationsanbietern zu vermeiden (vgl. Staatliches Informationshandeln). Die nationale Gesundheitsplattform sollte sich insofern auf die Bündelung und Komposition von Fremdinhalten beschränken und von einer routinemäßigen Prüfung einzelner Inhalte ebenso absehen wie von einer inhaltlich-redaktionellen Bearbeitung sowie der Einräumung umfassender Nutzungs- und Verwertungsrechte zugunsten des Plattformbetreibers.

Tatsacheninformation oder Werturteil?

Die Verantwortlichkeit für redaktionelle Inhalte hängt unter anderem von deren Einordnung als Tatsacheninformation oder Werturteil ab – wobei beide Kategorien für die nationale Gesundheitsplattform grundsätzlich denkbar sind. Eine Tatsacheninformation ist objektiv richtig oder falsch, daher trägt der Anbieter das Risiko der Verbreitung von Informationen, die sachlich unrichtig sind. An der Verbreitung falscher Informationen besteht kein schutzwürdiges Interesse, sodass diese spätestens nach Beanstandung immer zu löschen bzw. zu korrigieren sind. Bei Werturteilen scheidet eine objektive Bewertung aus: Eine Meinung kann zwar mehr oder weniger gut nachvollziehbar sein, aber nicht in Dimensionen wie „wahr“ oder „falsch“ bewertet werden. Vor diesem Hintergrund gibt es einen größeren Ermessensspielraum des Anbieters einer Informationsplattform.

Schwierig wird die Abgrenzung bei Mischformen, insbesondere bei Meinungsäußerungen mit Tatsachenkern. In dieser Gestaltung liegt an sich eine Meinung vor, die aber auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage basiert. Stellt sich die Tatsachengrundlage als falsch heraus, wirkt sich dies auch auf das abgeleitete Werturteil ab. Jeder Anbieter von Informationsangeboten muss daher sorgsam überwachen, welche Arten von Informationen über seine Plattform veröffentlicht werden und wie diese geprüft werden müssen bzw. was bei Beanstandungen zu veranlassen ist (Hofmann, 2022: 780ff.)).

Bei der Bereitstellung von Informationen für die Öffentlichkeit besteht generell das Risiko, dass einzelne Informationen sich später als falsch bzw. irreführend herausstellen. Diese Situation kann sich sowohl bei solchen Informationen ergeben, die selbst erarbeitet wurden, als auch bei Informationen, die von dritter Seite stammen und von dem Anbieter übernommen wurden. Sowohl für eigene als auch für fremde Angebote lassen sich Vorkehrungen treffen, um das verbleibende Restrisiko zu reduzieren und möglichst beherrschbar zu gestalten.

(Beitrag veröffentlicht am 27.09.2023. Die hier getroffenen Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die Rechtslage in Deutschland. Sie stellen einen Leitfaden und keine individuelle Rechtsberatung dar, die über das Projekt “Trusted Health Ecosystems” hinausgeht.)

Literatur

Hofmann F (2022). Lauterkeitsrechtliche Haftung von Online-Plattformen. Die neuen Transparenzvorgaben im UWG 2022 im Kontext lauterkeitsrechtlicher Plattformregulierung. in: GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 124. Jahrgang, 2. Juni 2022 (11/2022), S. 780 ff.

Autorin

Laura Schulte arbeitete während ihrer Promotion an einem Lehrstuhl für Verfassungsrecht als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie promovierte zu einem datenschutzrechtlichen Thema und forschte hierzu unter anderem auch an der Queen Mary School of Law in London. Von 2020 bis 2023 war sie als Rechtsanwältin in der Kanzlei BRANDI-Rechtsanwälte am Standort Bielefeld und dort im Fachbereich IT- und Datenschutzrecht tätig. Seit August 2023 ist sie Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Bielefeld.

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