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Rechtliche Rahmenbedingungen -Trägerschaft und Rechtsform

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Intro

Grundsätzlich ist es zwar möglich für den Aufbau und die Weiterentwicklung der nationalen Gesundheitsplattform auf einer bereits bestehenden rechtlichen Struktur aufzusetzen. Allerdings sprechen der innovative Charakter und die vielgestaltigen Aufgaben eher dafür, eine beziehungsweise vielleicht sogar mehrere neue Rechtsformen zu schaffen.

Was ist bei der Auswahl der richtigen Rechtsform zu beachten?

Bei der Auswahl der Rechtsform der Nationalen Gesundheitsplattform ist es wichtig zu berücksichtigen, welche Eigenschaften die Plattform ausweisen soll. Denn das Gesellschaftsrecht bietet ganz grundsätzlich unterschiedlichste Rechtsformen an, die jeweils mit bestimmten Vor- und Nachteilen verbunden sind. Wichtig dürfte es in jedem Fall sein, dass die Plattform handlungsfähig ist. Deshalb sollte lediglich eine Rechtsform gewählt werden, die eine eigene Rechtspersönlichkeit hat, also selbst Träger von Rechten und Pflichten sein kann.

Dann dürfte es dem Leitbild der Plattform entsprechen, dass diese gemeinwohlorientiert ist, also im Gegensatz zu rein gewinnwirtschaftlich orientierten Vorgaben. Auch hier gibt es Rechtsformen, die diesem Leitbild eher oder weniger verpflichtet sind.

Und schließlich, dies dürfte der wichtigste Aspekt sein, dürfte nur eine Rechtsform infrage kommen für das Vorhaben, die eine gewisse Flexibilität vermittelt. Denn voraussichtlich wird die Plattform künftig Aufgaben wahrnehmen sollen, die zum Zeitpunkt ihrer Entwicklung noch nicht fixiert sind. Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass eine Rechtsform gewählt wird, unter der private wie auch staatliche Akteure zusammenwirken können.

Welche Organisation könnte die Trägerschaft übernehmen?

Grundsätzlich ist es zwar möglich, für den Aufbau und die Weiterentwicklung der Nationalen Gesundheitsplattform auf einer bereits bestehenden rechtlichen Struktur aufzusetzen. Allerdings sprechen der innovative Charakter und die vielgestaltigen Aufgaben, die die Plattform künftig voraussichtlich wahrnehmen soll, eher dafür, eine bzw. vielleicht sogar mehrere neue Rechtsformen zu schaffen.

Was sind die Vor- und Nachteile einer privatrechtlichen gegenüber einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft?

Öffentlich-rechtliche Rechtsformen stehen prinzipiell nur staatlichen Stellen zur Verfügung. Das heißt, nicht jedermann kann eine solche Rechtsform wählen, sondern nur Stellen, die Teil des Staates sind, auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene. Öffentliche Rechtsformen genießen zwar bestimmte Privilegien, zum Beispiel hinsichtlich ihrer Finanzierung oder ihren Entscheidungsfindungsprozessen.

Andererseits gehen mit diesen Privilegien auch gewisse Kehrseiten einher. Insbesondere sind diese Rechtsformen tendenziell weniger flexibel bzw. wandlungsfähig. Dies bedeutet konkret, dass wenn solche Vorhaben neue Aufgaben wahrnehmen, dies tendenziell auch erfordert, dass ihre gesetzliche Grundlage angepasst wird. Außerdem können öffentlich-rechtliche und private Akteure nicht ohne weiteres gemeinsam unter dem Dach öffentlich-rechtlicher Rechtsformen zusammenarbeiten.

Welche Empfehlungen ergeben sich daraus für den Organisationsrahmen einer nationalen Gesundheitsplattform?

Bei dem Organisationsrahmen für die nationale Gesundheitsplattform sollte eine Rechtsform gewählt werden, die handlungsfähig ist, also eine eigene Rechtspersönlichkeit aufweist. Öffentlich-rechtliche Rechtsformen scheinen für die Plattform weniger geeignet zu sein. Vorzugswürdig erscheinen hier eher privatwirtschaftliche Rechtsformen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Es ist auch denkbar, unterschiedliche Aufgaben bzw. Geschäftsfelder der nationalen Gesundheitsplattform durch unterschiedliche Gesellschaften wahrnehmen zu lassen, die dann jeweils auch unterschiedliche Rechtsformen haben können. Diese Gesellschaften können dann wiederum unter einem gemeinsamen Dach einer Holding zusammengeführt werden.

Disclaimer

Die in dem Interview getroffenen Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die Rechtslage in Deutschland. Sie stellen einen Leitfaden und gerade keine individuelle Rechtsberatung dar, die über das Projekt Trusted Health Ecosystems hinausgeht.

Inhalt

Expertin

Prof. Dr. Laura Schulte arbeitete während ihrer Promotion an einem Lehrstuhl für Verfassungsrecht als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie promovierte zu einem datenschutzrechtlichen Thema und forschte hierzu unter anderem auch an der Queen Mary School of Law in London. Von 2020 bis 2023 war sie als Rechtsanwältin in der Kanzlei BRANDI-Rechtsanwälte am Standort Bielefeld und dort im Fachbereich IT- und Datenschutzrecht tätig. Seit August 2023 ist sie Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Bielefeld.

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    Rechtliche Rahmenbedingungen – Staatliches Informationshandeln

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    Wenn man jetzt die nationale Gesundheitsplattform als zentrale Drehscheibe versteht und bei diesem Projekt staatliche Akteure mitwirken sollen, müssen auch die für staatliche Akteure geltenden rechtlichen Voraussetzungen eingehalten werden.

    Was ist staatliches Informationshandeln und was hat das mit der Idee einer nationalen Gesundheitsplattform zu tun?

    Als staatliches Informationshandeln kann man erstmal jede Form der Kommunikation von Informationen durch staatliche Akteure betrachten. Das sind zum Beispiel die Aufklärung über bestimmte Sachverhalte wie bestimmte Krankheitsbilder oder auch die Empfehlung bestimmter Verhaltensweisen etwa 10.000 Schritte am Tag zu gehen, aber auch die Warnung vor bestimmten Produkten, etwa die Einnahme bestimmter Medizinprodukte. Und dabei ist es erstmal egal von welcher staatlichen Stelle die Information ausgeht, das heißt etwa von einem Bundesministerium oder von Landesparlamenten oder aber durch eine kommunale Einrichtung.

    Warum unterliegt staatliches Informationshandeln besonderen rechtlichen Anforderungen?

    Staatliches Informationshandeln unterliegt deshalb besonderen rechtlichen Anforderungen, weil staatliche Stellen in der Regel bei ihrer Informationstätigkeit auf ganz andere Ressourcen zurückgreifen können als privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen dies können. Insbesondere genießen staatliche Stellen bei ihrer Informationstätigkeit in der Regel eine große öffentliche Aufmerksamkeit und auch eine gewisse Autorität beziehungsweise das Vertrauen von Patientinnen.

    Das bedeutet konkret, dass wenn etwa ein Bundesministerium vor dem Einsatz eines Medizinproduktes warnt, dies faktisch oftmals dem Verbot des Produktes gleich kommt, denn Bürgerinnen werden dies in der Zukunft voraussichtlich nicht mehr kaufen, wenn vor dem Produkt gewarnt wurde durch staatliche Stellen. Dies bedeutet, staatliches Informationshandeln kann faktisch extreme Einflüsse auf Marktgeschehnisse nehmen. Insbesondere kann staatliches Informationshandeln damit das Grundrecht auf Berufsfreiheit anderer Anbieter digitaler Gesundheitsangebote beeinflussen.

    Welche Empfehlungen lassen sich daraus für die Trägerschaft einer nationalen Plattform ableiten?

    Wenn und soweit staatliche Akteure an der nationalen Gesundheitsplattform partizipieren sollen, sind natürlich auch die für diese Stellen geltenden rechtlichen Anforderungen einzuhalten. Diese sind verhältnismäßig hoch. In der Regel wird es hierfür einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Selbst wenn Produktwarnungen gar nicht im Fokus des Projektes stehen, liegt es nahe, dass die Grundrechte von Anbietern digitaler Gesundheitsangebote durch ein solches Vorhaben beeinträchtigt werden könnten.

    Dies legt eine staatsferne Trägerschaft für die nationale Gesundheitsplattform nahe, beziehungsweise ein strukturoffenes Trägermodell in zivilgesellschaftlicher Verantwortung. Und dabei wäre nicht mal eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln ausgeschlossen, denn eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch das gewählte Trägermodell ein öffentlich-rechtliches sein muss.

    Disclaimer

    Die in dem Interview getroffenen Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die Rechtslage in Deutschland. Sie stellen einen Leitfaden und gerade keine individuelle Rechtsberatung dar, die über das Projekt Trusted Health Ecosystems hinausgeht.

    Inhalt

    Expertin

    Prof. Dr. Laura Schulte arbeitete während ihrer Promotion an einem Lehrstuhl für Verfassungsrecht als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie promovierte zu einem datenschutzrechtlichen Thema und forschte hierzu unter anderem auch an der Queen Mary School of Law in London. Von 2020 bis 2023 war sie als Rechtsanwältin in der Kanzlei BRANDI-Rechtsanwälte am Standort Bielefeld und dort im Fachbereich IT- und Datenschutzrecht tätig. Seit August 2023 ist sie Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Bielefeld.

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      Trägerschaft: Staatlich oder privat organisiert?

      Prof. Dr. Laura Schulte

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      Herausforderung

      Die Aufgaben und Angebote einer nationalen Gesundheitsplattform sind vielgestaltig angelegt und das dahinterstehende Ökosystem soll künftig in der Lage sein, derzeit noch nicht identifizierte Aufgaben flexibel zu adressieren. Daher stellt die Beantwortung der Frage nach der optimalen rechtlichen Organisationsform für das Ökosystem eine komplexe Herausforderung dar. Folgende Aspekte sind dabei zu berücksichtigen:

      Anforderungen

      Gemeinwohlorientiertheit

      Das Ökosystem soll grundsätzlich nicht gewinnwirtschaftlich, sondern gemeinnützig orientiert sein. Etwaige Einnahmen, die im Rahmen des Ökosystems erwirtschaftet werden, sollen zu dessen Aus- bzw. Aufbau genutzt werden.

      Flexibilität

      Das Ökosystem soll in der Lage sein, derzeit noch nicht definierte Aufgaben wahrnehmen zu können, und sollte daher entwicklungsoffen sein. Außerdem sollen sowohl staatliche als auch nicht staatliche Stellen im Ökosystem zusammenwirken können.

       

      Transparenz

      Vor allem soweit das Ökosystem einen gesetzlichen bzw. öffentlichen Auftrag erfüllt, müssen seine Handlungen und Entscheidungen sowie seine Finanzierung für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sein

      Hinsichtlich der passenden Organisationsform für das Ökosystem lassen sich unter Berücksichtigung der genannten Zielsetzungen mindestens zwei zentrale Fragen stellen:

      1. Soll für das Ökosystem auf eine bereits vorhandene rechtliche Struktur zurückgegriffen oder sollte eine völlig neue rechtliche Struktur geschaffen werden?
      2. Soll die rechtliche Struktur des Ökosystems öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich geprägt sein?

      Prinzipiell besteht zwar die Möglichkeit, eine bereits existierende rechtliche Struktur für den Aufbau und den Betrieb sowie die Weiterentwicklung des Ökosystems zu nutzen. Aufgrund des innovativen Charakters und der vielgestaltigen Funktionen, die das Ökosystem künftig abbilden soll, bietet es sich jedoch eher an, eine bzw. mehrere völlig neue rechtliche Strukturen zu schaffen.

      Grundsätzlich kommen hierfür sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Rechtsformen in Betracht. Öffentlich-rechtliche Rechtsformen, wie z. B. die Anstalt des Öffentlichen Rechts, sind zwar einerseits in bestimmter Weise privilegiert, etwa was ihre Finanzierung betrifft, andererseits unterliegen sie – etwa hinsichtlich der Transparenz ihrer Entscheidungsfindung – partiell strengeren rechtlichen Verpflichtungen als Unternehmen mit privatrechtlichen Rechtsformen. Auch die Integration privater Akteure ist in öffentlich-rechtlich geprägten Strukturen nur ausnahmsweise möglich, und damit ist das Ziel eines möglichst inklusiven Ökosystems ggf. schwieriger umsetzbar. Bei Einrichtungen mit einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform steht in der Regel die Verwirklichung eines öffentlichen und ggf. sogar eines gemeinwohlorientierten Zwecks im Fokus – im Gegensatz zu primären gewinnwirtschaftlich orientierten Unternehmungen.

      Ganz grundsätzlich lässt sich bei den zur Verfügung stehenden Rechtsformen – losgelöst von der Frage, ob die Struktur des Ökosystems privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich geprägt sein soll – zwischen solchen mit und solchen ohne eigener Rechtspersönlichkeit unterscheiden. Zu den Rechtsformen ohne eigene Rechtspersönlichkeit zählen etwa Personengesellschaften sowie sog. Regiebetriebe der öffentlichen Verwaltung. Aufgrund des Aufgabenzuschnitts ist die Möglichkeit, selbstständig rechtlich relevante Handlungen vorzunehmen, etwa Verträge mit Dienstleistern abzuschließen, derart wichtig, dass unselbstständige Rechtsformen von vornherein für das Ökosystem ausscheiden dürften. Körperschaften sind demgegenüber selbstständige juristische Personen und können entsprechend selbst Trägerinnen von Rechten und Pflichten sein. Diese sog. Rechtsfähigkeit dürfte für das Ökosystem zur unabdingbaren Voraussetzung gehören.

      Hintergrund

      Ganz grundsätzlich lassen sich zwei Formen rechtlicher Zusammenschlüsse unterscheiden: einerseits Personengesellschaften – z. B. die Gesellschaft bürgerlichen Rechts – und andererseits Körperschaften – z. B. der rechtsfähige Verein, die Aktiengesellschaft oder die Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

      Personengesellschaften sind regelmäßig nicht in vollem Umfang rechtsfähig, können also nur eingeschränkt Rechte und Pflichten erwerben und ausüben. Außerdem sind sie im Kern auf die hinter der jeweiligen Gesellschaft stehenden natürlichen Personen ausgerichtet. Letzteres erschwert tendenziell den Ein- und Austritt von Akteuren. Angesichts der übergeordneten Zielrichtung der nationalen Gesundheitsplattform kann davon ausgegangen werden, dass Personengesellschaften als Organisationsform grundsätzlich nicht geeignet sind.

      Körperschaften sind auf Dauer angelegte Zusammenschlüsse von Personen zur Erreichung eines überindividuellen Zwecks. Diese sind – im Gegensatz zu Personengesellschaften – in ihrem Bestand unabhängig vom Wechsel einzelner Mitglieder. Die meisten Körperschaften sind juristische Personen, dies bedeutet, sie können selbst Trägerinnen von Rechten und Pflichten sein, also beispielsweise Verträge abschließen. Körperschaften existieren sowohl auf privatrechtlicher als auch auf öffentlich-rechtlicher Grundlage.

      Körperschaften des öffentlichen Rechts sind durch staatliche Hoheitsakte geschaffene Vereinigungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Träger der Körperschaften sind deren Mitglieder, die wesentlichen Einfluss auf die Willensbildung haben. Die Mitgliedschaft kann freiwillig begründet, teilweise aber auch gesetzlich verpflichtend sein.

      Die Organisationsformen des öffentlichen Rechts stehen allerdings nicht allen Menschen zur Verfügung – sie dienen vielmehr exklusiv der Erfüllung öffentlicher Aufgaben bzw. gesetzlicher Aufträge. Entsprechend verfügen Körperschaften des öffentlichen Rechts über gewisse Sonderbefugnisse und Privilegien; insbesondere können sie im Rahmen ihres jeweiligen gesetzlichen Auftrags selbst öffentliche Gewalt ausüben.

      Die Kehrseite dieser Privilegierung ist in praktischer Hinsicht ein relativ geringes Maß an Flexibilität. Als staatliche bzw. staatsnahe Einrichtungen besteht etwa eine unmittelbare Bindung an Grundrechte. Körperschaften des öffentlichen Rechts haben regelmäßig eine gesetzliche Grundlage. Änderungen in ihrer Ausrichtung bzw. in ihren Kompetenzen und Aufgaben bedürfen entsprechend ggf. einer Anpassung ihrer gesetzlichen Grundlage.

      Anstalten des öffentlichen Rechts stellen Zusammenfassungen sachlicher (z. B. Gebäude, Ausstattung) und persönlicher Mittel (Personal) dar, mit dem Zweck, eine öffentliche Einrichtung zu betreiben. Sie sind juristische Personen, denen Aufgaben per Gesetz oder Satzung zugewiesen wurden und die mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben betraut sind. In der Regel werden die Anstalten bzw. deren Leistungen den Bürgerinnen und Bürgern zur Benutzung zur Verfügung gestellt. Beispiele für Anstalten des öffentlichen Rechts sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, Universitäten und Sparkassen. Anstalten des öffentlichen Rechts besitzen eine eigene Rechtspersönlichkeit, welche ihnen eine unabhängige Erfüllung ihrer Tätigkeiten ermöglicht.

      Stiftungen können sowohl privatrechtlich als auch öffentlich-rechtlich organisiert sein. Insgesamt ermöglichen sie eine Verwaltung von Vermögen zugunsten bestimmter Zwecke. Öffentlich-rechtliche Stiftungen werden in der Regel vom Staat durch Gesetz oder Rechtsverordnung errichtet. Dies macht ihre Entstehung und anschließende Entwicklung verhältnismäßig bürokratisch. Auch die Integration privatwirtschaftlicher Akteure ist relativ schwierig. Diese können zwar durch eine Stiftung finanziert, aber nur bedingt in deren Entscheidungsprozesse integriert werden. Eine öffentlich-rechtliche Stiftung ist in finanzieller Hinsicht von öffentlichen Haushalten bzw. Zuwendungen abhängig. Dies bedeutet praktisch, dass eine dauerhafte Finanzierung und damit Arbeit einer öffentlich-rechtlichen Stiftung nur schwer gesichert werden kann und sich im Ergebnis an der jeweiligen Haushaltslage orientieren dürfte.

      „Eine juristische Person des Privatrechts bietet für die Betreiberrolle Flexibilität und ermöglicht das Zusammenwirken privater und staatlicher Akteure.“

      Prof. Dr. Laura Schulte

      Öffentlich-rechtliche Organisationsformen sind damit im Ergebnis oft wenig wandlungsfähig und kommen daher als Betreiber einer nationalen Gesundheitsplattform nur bedingt in Frage. Ihre Grundlage findet sich regelmäßig in einem Gesetz, sodass ein Aufgaben- bzw. Kompetenzzuwachs ggf. mit einer (zeitaufwendigen) Gesetzesänderung verbunden sein dürfte. Weiterhin sind sämtliche öffentlich-rechtlichen Organisationsformen unmittelbar an Grundrechte gebunden.

      Aus der Grundrechtsbindung lassen sich partiell auch Teilhaberechte Dritter ableiten, etwa von Dienstleistern aus dem Gesundheitssektor. Weiterhin bestehen für wettbewerbsrelevantes Handeln staatlicher Stellen bestimmte Vorgaben, die in Teilen strenger sein können als die Vorgaben, die für nicht staatliche Akteure gelten (s. a. Staatliches Informationshandeln). Schließlich können auch privatrechtliche Akteure nicht ohne Weiteres in öffentlich-rechtliche Organisationsformen integriert werden.

      Staatliche Akteure – also Bund, Länder und Kommunen sowie deren einzelne Untergliederungen – haben allerdings auch die Möglichkeit, sich der Organisationsformen des Privatrechts zu bedienen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass aus der Beteiligung staatlicher Stellen an dem Ökosystem nicht zwingend die Wahl einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform folgt. Zu den privatrechtlichen Organisationsformen, die als Trägermodell für das Ökosystem in Frage kommen, zählen vor allem der Verein, die GmbH sowie die AG.

      Übersicht – Rechtsformen des Privatrechts

      Der Verein

      Unter Verein versteht man einen freiwilligen und auf Dauer angelegten Zusammenschluss mehrerer Personen zur Verfolgung eines Zwecks. In einem Verein können grundsätzlich sowohl staatliche als auch private bzw. privatwirtschaftliche Akteure zusammenwirken.

      Bei Vereinen lässt sich die Haftung gegenüber Dritten nur bedingt beschränken; insbesondere ist in diesem Kontext die grundsätzlich persönliche Haftung des Vorstandes (mit seinem gesamten Privatvermögen) gegenüber Dritten zu berücksichtigen, wenn und soweit der Verein für Schäden bei Dritten verantwortlich sein sollte. Die Frage der Finanzierung des Ökosystems in Form eines Vereins wirft außerdem gewisse Herausforderungen auf; vor allem dürften Mitgliedsbeiträge in der Regel nicht ausreichen, um das Projekt – vor allem in seiner Anfangsphase – kontinuierlich mit hinreichenden finanziellen Mitteln zu versorgen.

      Die GmbH

      Eine GmbH ist eine rechtsfähige, durch Organe handelnde Gesellschaft, bei der den Gläubigern im Grundsatz nur das Vermögen der Gesellschaft haftet. Gesellschafter einer GmbH können natürliche wie auch juristische Personen sein. Die jeweiligen Gesellschafter sind durch einen Geschäftsanteil an diesem Vermögen beteiligt, übernehmen durch ihre Beteiligung an der Gesellschaft allerdings keine persönliche Haftung.

      Die gemeinnützige GmbH

      Die gemeinnützige GmbH ist eine Sonderform der GmbH. Die gemeinnützige GmbH kombiniert die wirtschaftlichen Vorteile und Rahmenbedingungen der GmbH mit den steuerlichen Vorteilen des Gemeinnützigkeitsrechts. Das macht die Rechtsform für den sozialen Bereich attraktiv. Allerdings dürfen die Erträge, die das Unternehmen erwirtschaftet, nur für die Verwirklichung des gemeinnützigen Zwecks verwendet werden.

      Die AG

      Die Aktiengesellschaft vereint typischerweise eine große Anzahl Aktionären, die ihr Kapital in die Unternehmung investiert haben, um aus den von der Gesellschaft erwirtschafteten Erträgen Dividenden zu erhalten. Diese gewinnwirtschaftliche Orientierung der AG entspricht allerdings wohl nicht dem gemeinnützigen Leitbild des Ökosystems.

      Die gemeinnützige AG

      Allerdings kennt das deutsche Gesellschaftsrecht auch eine gemeinnützige AG – kurz gAG – die gerade nicht auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichtet ist, sondern eine gemeinnützige Ausrichtung aufweist. Die Ausrichtung an gemeinnützigen Zielen – etwa der Förderung der Wissenschaft und Forschung, des öffentlichen Gesundheitswesens und der Verbraucherberatung sowie des Verbraucherschutzes – wird durch steuerliche Vergünstigungen zugunsten der gAG belohnt. Kehrseite des steuerlichen Sonderstatus der gAG sind allerdings die verhältnismäßig strengen Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts. Zu beachten ist vor diesem Hintergrund insbesondere, dass der Status der Gemeinnützigkeit gefährdet wird, wenn mehr als die Hälfte des Kapitals der gAG zur Finanzierung der Verwaltung und Spendenwerbung genutzt wird oder wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb einer gAG mit nicht begünstigten Betrieben derselben bzw. ähnlicher Art in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.

      Die gesetzlichen Vorgaben für die Organisation der gAG entsprechen ansonsten den für die AG geltenden Bestimmungen; insbesondere verfügt auch die gAG über einen Vorstand, einen Aufsichtsrat und eine Hauptversammlung. Der Vorstand ist für die Geschäftsführung der gAG verantwortlich, die wiederum auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke der gAG gerichtet sein muss.

      Die Holding

      Es ist möglich, die einzelnen Angebote des Ökosystems von unterschiedlichen Gesellschaften mit jeweils unterschiedlichen Rechtsformen zu betreiben, die allerdings unter dem gemeinsamen Dach einer Holding zusammengeführt werden. Eine Holding ist eine Strukturform, deren Hauptzweck in einer auf Dauer angelegten Beteiligung an einem oder mehreren rechtlich selbstständigen Unternehmen liegt.

      Ganz grundsätzlich sind zwei Arten von Holdinggesellschaften zu unterscheiden, die für das Ökosystem als „Dachorganisationen“ in Betracht kommen: die operative Holding und die Management-Holding. Die sog. operative Holding ist mit einem Mutterkonzern vergleichbar, von dem weitere Tochtergesellschaften strategisch und personell abhängig sind. Die Management-Holding hat dagegen kein eigenes operatives Geschäft, legt allerdings die strategischen Ziele der Tochtergesellschaften fest.

      Größter Vorteil dieser Holdingvariante ist ihre Flexibilität, da jedes Tochterunternehmen Strategien für sein Geschäftsfeld entwickelt. Die Holding ist nicht im deutschen Recht geregelt und entsprechend auch nicht an eine bestimmte Rechtsform gebunden. Regelmäßig werden Holdings in der Rechtsform der GmbH oder Aktiengesellschaft betrieben.

      Fazit

      Das Ökosystem muss selbst Träger von Rechten und Pflichten sein können, um handlungsfähig seine Zielrichtung verfolgen zu können. Damit scheiden sämtliche rechtliche Strukturen aus, die nicht rechtsfähig sind. Personengesellschaften werden den Anforderungen an eine partizipative Infrastruktur für das Gesundheitswesen nicht gerecht und können für eine Trägerschaft des digitalen Ökosystems ausgeschlossen werden.

      Eine öffentlich-rechtliche Struktur wäre zwar möglich, würde aber die Mitwirkung privatwirtschaftlich organisierter Akteure an dem Projekt insgesamt erschweren. Für eine möglichst breite Partizipation und eine hohe Flexibilität sollte daher eine juristische Person des Privatrechts als Organisationsrahmen angestrebt werden. Diese bietet relativ große Flexibilität im Hinblick auf strukturelle Anpassungen sowie das Zusammenwirken privater wie staatlicher Akteure an dem Projekt.

      Mit Blick auf die unterschiedlichen Funktionen, die durch das Ökosystem abgebildet werden können, bietet sich zudem die Wahl einer Holdingstruktur an, bei der eine übergeordnete Gesellschaft die Steuerung weiterer Tochtergesellschaften übernimmt, die jeweils wiederum ganz unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen könnten.

      (Beitrag veröffentlicht am 27.09.2023. Die hier getroffenen Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die Rechtslage in Deutschland. Sie stellen einen Leitfaden und keine individuelle Rechtsberatung dar, die über das Projekt Trusted Health Ecosystems” hinausgeht.)

      Autorin

      Laura Schulte arbeitete während ihrer Promotion an einem Lehrstuhl für Verfassungsrecht als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie promovierte zu einem datenschutzrechtlichen Thema und forschte hierzu unter anderem auch an der Queen Mary School of Law in London. Von 2020 bis 2023 war sie als Rechtsanwältin in der Kanzlei BRANDI-Rechtsanwälte am Standort Bielefeld und dort im Fachbereich IT- und Datenschutzrecht tätig. Seit August 2023 ist sie Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Bielefeld.

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        Prof. Dr. Laura Schulte

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        Herausforderung

        Staatliches Handeln basiert auf der Ausgangsannahme, dass insbesondere grundrechtsrelevante Aktivitäten einer rechtlichen Grundlage bedürfen, die nachträglich von den Gerichten überprüft werden kann. Verankert ist diese Annahme im Rechtsstaatsprinzip einem zentralen Element unserer Verfassung. Durch Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz wird insoweit unter anderem bestimmt, dass „die vollziehende Gewalt … an Gesetz und Recht gebunden“ ist. Für jede staatliche Aktivität, die sich auf die Grundrechtspositionen Dritter auswirken kann, ist daher zu prüfen, auf welcher Rechtsgrundlage sie sich entfaltet.

        Die Bereitstellung von Informationen durch eine staatliche Stelle ist als eine Form „staatlichen Handelns“ zu bewerten, da die Aktivität auf die Information der Bevölkerung gerichtet ist. Als Mindestvoraussetzung ist daher aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten, dass die staatliche Stelle zumindest im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben handelt. Die Information der Öffentlichkeit kann insoweit grundsätzlich als Annex der Aufgabenwahrnehmung legitimiert werden (Schoch, NVwZ 2011). Eine allgemeine Aufgabenzuweisung zum Aufbau und Betrieb eines staatlichen Informationsangebots genügt jedoch nicht, um die geplante Plattform rechtlich abzusichern.

        Hintergrund

        Offensichtlich legitimationsbedürftig sind Eingriffe durch staatliches Informationshandeln beispielsweise bei staatlichen Warnungen im Kontext von Verbraucherinformationen (Voßkuhle und Kaiser, JuS 2018): Sie sind meist gegen ein bestimmtes Produkt bzw. einen bestimmten Anbieter gerichtet, sodass ein Eingriff in die jeweilige unternehmerische Tätigkeit der Hersteller bzw. Anbieter der betroffenen Produkte oder Leistungen erfolgt. Betroffene Unternehmen können sich in diesem Fall auf ihre Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 GG und den Schutz ihres Unternehmerpersönlichkeitsrechts berufen.

        Dogmatisch liegt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts beim staatlichen Informationshandeln zwar kein Eingriff im klassischen Sinne vor, der durch einen Rechtsakt erfolgt; die Wirkung des Informationshandelns kommt einem klassischen Eingriff allerdings sehr nahe, sodass von einer eingriffsgleichen Maßnahme auszugehen ist (Voßkuhle und Kaiser, JuS 2018).

        Nach den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts ist für staatliches Informationshandeln zu prüfen, ob hierdurch der Wettbewerb verzerrt wird.

        „Bei umfangreicheren Informationssammlungen staatlicher Stellen ist auch zu berücksichtigen, inwieweit der staatliche Anbieter mit privatwirtschaftlichen Angeboten in einen Wettbewerb tritt.“

        Prof. Dr. Laura Schulte

        Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang Voraussetzungen herausgearbeitet, die für die Rechtmäßigkeit staatlichen Informationshandelns mindestens erfüllt sein müssen: Demnach muss (1) eine staatliche Aufgabe vorliegen und (2) die Zuständigkeitsordnung bei Erfüllung dieser Aufgabe eingehalten werden; außerdem müssten die Informationen (3) sachlich gehalten und inhaltlich richtig sowie die Informationstätigkeit insgesamt verhältnismäßig (4) sein.

        Eine Betroffenheit im Sinne eines Grundrechtseingriffs kann jedoch nicht nur vorliegen, wenn eine Warnung vor Produkten oder Leistungen erfolgt. Bei umfangreicheren Informationssammlungen staatlicher Stellen ist auch zu berücksichtigen, inwieweit der staatliche Anbieter mit privatwirtschaftlichen Angeboten in einen Wettbewerb tritt: Betätigt sich der Staat wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen, so sind auch alle für privatwirtschaftliche Anbieter geltenden Vorgaben einzuhalten. Das gilt insbesondere für wettbewerbs- und kartellrechtliche Regelungen.

        Doch auch wenn staatliche Stellen all diese Anforderungen erfüllen, können sich dennoch Verzerrungen am Markt ergeben, weil der Staat häufig über ganz andere Möglichkeiten zur öffentlichen Positionierung verfügt und bei der Finanzierung auf öffentliche Mittel zurückgreifen kann. So werden den Informationen von staatlicher Stelle oft eine höhere Relevanz und Glaubwürdigkeit zugeschrieben, als dies bei Informationsangeboten Dritter der Fall ist. Insofern ist bei einer privatwirtschaftlichen Betätigung staatlicher Stellen generell zu prüfen, inwieweit hierfür eine Rechtfertigung vorliegt und Wettbewerbsverzerrungen ausgeschlossen werden können. Hier ist auch von Bedeutung, ob Fremdinhalte verwendet oder eigene Inhalte vermittelt werden (vgl. hierzu auch Redaktionelle Erstellung vs. Brokering).

        Fazit

        In Abwägung der bisherigen Ausführungen und unter Berücksichtigung der Zielsetzung einer möglichst rechtssicheren Trägerschaft wäre der Betrieb einer nationalen Gesundheitsplattform in staatlicher Hand insgesamt kritisch zu bewerten. Zwar stehen Produktwarnungen oder andere direkte Benachteiligungen von Akteuren nicht im Fokus des Vorhabens, doch sonstige Anbieter digitaler Gesundheitsinformationen und -services könnten zumindest mittelbar beeinflusst werden.

        Vorzugswürdig erscheint daher ein Strukturansatz, bei dem Informationen nicht unmittelbar von einer staatlichen Stelle bereitgestellt werden. Allerdings bedeutet eine (Teil-)Finanzierung aus öffentlichen Mitteln nicht zwangsläufig, dass auch die Trägerschaft einer nationalen Gesundheitsplattform in staatlicher Hand liegen muss. Stattdessen könnte ein offenes Struktur- und Trägermodell in zivilgesellschaftlicher Hand als „Drehscheibe“ für Informationen dienen und Ausgangspunkt weiterer Angebote sein.

        Um eine unangemessene Einschränkung der Handlungsspielräume privatwirtschaftlicher Akteure zu vermeiden, ist eine staatsferne Trägerschaft zu präferieren. Gleichzeitig ist darauf hinzuwirken, die am Markt tätigen Unternehmen nicht auszuschließen oder zu benachteiligen.

        (Beitrag veröffentlicht am 27.09.2023. Die hier getroffenen Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die Rechtslage in Deutschland. Sie stellen einen Leitfaden und keine individuelle Rechtsberatung dar, die über das Projekt “Trusted Health Ecosystems” hinausgeht.)

        Literatur

        Schoch, NVwZ 2011, 193 (196) unter Verweis auf OVG Hamburg, NVwZ-RR 2008, 241.

        Voßkuhle und Kaiser, JuS 2018, 343 (344) unter Verweis auf BVerfG, NJW 2002, 2621 – Glykolwein

        Autorin

        Prof. Dr. Laura Schulte arbeitete während ihrer Promotion an einem Lehrstuhl für Verfassungsrecht als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie promovierte zu einem datenschutzrechtlichen Thema und forschte hierzu unter anderem auch an der Queen Mary School of Law in London. Von 2020 bis 2023 war sie als Rechtsanwältin in der Kanzlei BRANDI-Rechtsanwälte am Standort Bielefeld und dort im Fachbereich IT- und Datenschutzrecht tätig. Seit August 2023 ist sie Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Bielefeld.

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