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Desinformation im Gesundheitswesen – mit Plattformen gegen die Infodemie

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Intro

Wie können wir die guten Informationen von den schlechten besser unterscheiden? Also da gibt es eine ganze große Breite an Dingen, die Plattformen machen können, um den Menschen ein bisschen die Arbeit abzunehmen.

Woher stammen Fehl- und Falschinformationen zu Gesundheitsthemen?

Desinformationen kommen aus sehr, sehr vielen verschiedenen Quellen. Wenn wir zurückdenken an die Pandemie, dann hat die WHO neben der Pandemie, also neben der Gesundheitskrise, auch die Infodemie ausgerufen. Das heißt, neben Corona hatten wir auch eine Informationskrise.

Und wir erinnern uns zum Beispiel daran, dass einige Desinformationen direkt aus dem Weißen Haus zu uns kamen, wenn Donald Trump uns damals empfohlen hat, Bleichmittel gegen Corona zu trinken. Das Gleiche gab es in Brasilien mit Jair Bolsonaro. Also es gibt teilweise Regierungen, die Desinformationen verbreiten.

Aber nicht nur. Die können aus Social Media kommen, von Menschen, die uninformiert sind, aber trotzdem ihre Meinung weiterverbreiten. Die können aus WhatsApp-Kanälen von der Familie kommen. Und sie können auch aus dem Journalismus kommen, wenn in einigen Redaktionen vielleicht nicht genügend Journalistinnen und Journalisten arbeiten, die eine Gesundheitskompetenz haben oder wo eine Wissenschaftsredaktion existiert, die eben mit klinischen Studien arbeiten kann und die eben verständlich rüberbringen kann.

Insofern hatten wir viel Verunsicherung, gerade während der Pandemie, gerade auch in Deutschland, wenn wir uns zum Beispiel an AstraZeneca und die Debatte zum Impfstoff erinnern. Und das sorgt eben dafür, dass Bevölkerungen unter Umständen verunsichert sind und nicht gut informiert sind. Und das kann man sehr gut international sich anschauen und schauen, welche Länder waren sehr gut informiert wo gab es wenig Desinformation und wo gab es vielleicht besonders viele Desinformationen. Und welche Kriterien sorgen eben dafür, dass Kommunikationsräume stark mit Desinformationen angereichert sind oder eben vertrauenswürdige Informationen sich von A nach B verbreiten.

Wie kann das Gesundheitssystem Desinformation effektiv begegnen?

Ui, wo soll ich anfangen? Die Schwierigkeit beim Thema Desinformation ist, dass es ein sehr holistisches Thema ist. Das heißt, ich muss an vielen Ecken und Enden gleichzeitig ansetzen. Ich mache mal ein Beispiel. Facebook-Timeline. Ich bin jetzt auf meiner Facebook-Timeline unterwegs. Das heißt, zwei wichtige Faktoren bestimmen, ob ich einen guten Informationsraum oder einen schlechten Informationsraum habe. Und die beiden Faktoren sind einerseits der Algorithmus der Plattform und die Frage, wie funktionieren diese Algorithmen, welche Inhalte werden nach oben gespült, welche werden vielleicht besonders gefördert oder eben nach unten gerankt.

Und die andere Seite bin ich, der Nutzer, der vor dem Bildschirm sitzt und entscheiden muss, welchen Kanälen folgt der überhaupt. Und diese beiden Parameter sind schon mal zwei sehr wichtige Parameter. Und wir wissen, dass es weder um die Algorithmen der Plattform sonderlich gut bestellt ist, noch um die Informationskompetenz der Nutzerinnen und Nutzer. Das Ganze kann aber nur funktionieren, wenn wir zum Beispiel mehr Regulierung haben, sinnvolle Vorgaben, in welchen Rahmenbedingungen diese Algorithmen überhaupt agieren dürfen.

Wir haben am Ende eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, wo eigentlich alle Teile der Gesellschaft ihren Teil dazu beitragen müssen, dass wir ein besseres und resilienteres Informationsökosystem haben. Das betrifft dann eben auch den Gesundheitssektor und die Akteure, die dort darin kommunizieren. Und die Frage, sind sie geschult genug, in Social Media beispielsweise Gesundheitsinformationen zu verbreiten? Welche Akteure spielen da vielleicht noch eine Rolle, die eher Desinformationen verbreiten? Also welche Gruppierungen gibt es, die vielleicht aus alternativ-medizinischen Teilen kommen, die dort aber eine wichtige Rolle spielen in der Verbreitung? Insofern gibt es sehr, sehr viele Dinge, die gleichzeitig passieren müssen, damit das Informationsumfeld besser wird.

Inhalt

Experte

Alexander Sängerlaub ist Direktor und Co-Gründer von futur eins. Er beschäftigt sich holistisch mit digitalen Öffentlichkeiten und der Frage, wie die Utopie einer informierten Gesellschaft erreicht werden kann. Zuvor baute er im Berliner Think Tank Stiftung Neue Verantwortung den Bereich “Stärkung digitaler Öffentlichkeit” mit auf und leitete dort Projekte zu Desinformation (“Fake News”), Fact-Checking und digitaler Nachrichtenkompetenz. Er studierte Publizistik, Psychologie und Politische Kommunikation an der Freien Universität in Berlin.

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    Digitale Ökosysteme – Was sind die Erfolgsfaktoren?

    Transkript

    Intro

    Nur durch eine riesige Anzahl von Teilnehmenden im Ökosystem wird das Ökosystem tatsächlich so richtig attraktiv.

    Was macht digitale Ökosysteme erfolgreich?

    Die Erzeugung von Nutzen, Anreizen und Motivation ist gerade bei digitalen Ökosystemen besonders wichtig, weil die im Gegensatz zu klassischen Geschäftsmodellen auf mehrseitigen Märkten sich berufen. Und mehrseitige Märkte kennt man beispielsweise von Airbnb. Da haben wir natürlich Airbnb, das Unternehmen, aber wir haben auf der einen Seite eben diejenigen, die das anbieten, also private Übernachtungsmöglichkeiten-Anbieter und wir haben auf der anderen Seite diejenigen, die Konsumenten, die das dann nutzen, also Reisende, die dann diese Übernachtung auch nutzen.

    Aber alle nehmen freiwillig an diesem Ökosystem teil. Niemand ist gezwungen. Und deswegen muss man natürlich Anreize schaffen, damit möglichst viele an diesem Ökosystem teilnehmen. Denn nur mit einer riesigen Anzahl von Teilnehmenden wird das Ökosystem auch tatsächlich so richtig attraktiv.

    Könnten Akteure per Gesetz zur Teilnahme verpflichtet werden?

    Bestimmte Akteure zur Teilnahme am digitalen Ökosystem zu zwingen, ist auf gar keinen Fall eine gute Idee. Denn wenn man gezwungen wird zu einer Teilnahme, und das gilt genauso für andere Geschäftsmodelle auch, dann wird man immer Mittel und Wege finden, wie man nicht so richtig teilnimmt und im schlimmsten Fall damit sogar den Betrieb des digitalen Ökosystems stört.

    Alle erfolgreichen digitalen Ökosysteme haben genügend Anreize geschaffen, dass die Teilnehmenden dort freiwillig dabei sind. Und nur wenn die dort auch freiwillig dabei sind und selbst quasi eben genug davon haben, daran teilzunehmen, dann kann auch tatsächlich das Ökosystem von deren Teilnahme profitieren.

    Wie lassen sich unterschiedliche Interessen aller Beteiligten zusammenbringen?

    Die nationale Gesundheitsplattform dient vor allem Patientinnen und Patienten. Aber natürlich profitiert sie auch von der Teilnahme von anderen Gruppen. Und da ist es ganz klar, dass es immer mal wieder zu Interessenskonflikten kommt. Deswegen ist die Auflösung dieser Interessenskonflikte zwischen all diesen Teilnehmergruppen ein absolut wichtiger Bestandteil bei der ganzheitlichen Gestaltung eines digitalen Ökosystems und so auch von der nationalen Gesundheitsplattform. Nur so kann man sicherstellen, dass auch tatsächlich die Ziele für die Patientinnen und Patienten erfüllt werden, aber auch die Interessen der anderen Teilnehmergruppen gewahrt bleiben.

    Wie könnte ein ganzheitlicher Gestaltungsprozess aussehen?

    Die ganzheitliche Gestaltung von digitalen Ökosystemen bedeutet, dass man die Konsequenzen jeder einzelnen Entscheidung im Gestaltungsprozess auf alle Teilnehmergruppen untersucht. Und das immer aus drei Perspektiven. Welche Konsequenzen gibt es aus der Businessperspektive? Welche Konsequenzen gibt es aus der technischen Perspektive? Und welche Konsequenzen gibt es aus der rechtlichen Perspektive?

    Das kann aber nur gelingen, wenn wir Vertreterinnen oder Vertreter aus allen Teilnehmergruppen kontinuierlich und von Anfang an im Prozess mit dabei haben. Damit wir gut mit denen kommunizieren können, nutzen wir konkrete Szenarien, Prototypen, Beispiele. Und damit wir immer die richtige Sprache finden, um mit dieser Zielgruppe eben zu sprechen. Die Kunst besteht aber darin, diese Gestaltung des Gesamtsystems auf verschiedensten Abstraktionsebenen zu kontrollieren und aber trotzdem jederzeit ein Gesamtbild zu erzeugen, das wir mit allen Teilnehmergruppen kommunizieren können.

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    Experte

    Dr. Marcus Trapp ist Co-Founder von Full Flamingo. Gemeinsam mit seinen Partnern hilft er Unternehmen pragmatisch, die wichtigen Entscheidungen in der digitalen Transformation abzusichern. Bis 2022 Führungskraft am Fraunhofer IESE, hat Marcus Trapp das Thema „Digitale Ökosysteme und Plattformökonomie“ mit aufgebaut und verantwortet.

     

     

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      Digitale Ökosysteme – Chance für das Gesundheitswesen

      Transkript

      Intro

      Es bestehen die Risiken, dass internationale Player eine Dominanz im deutschen und europäischen Markt erlangen.

      Gerade im Gesundheitswesen wäre es aber besonders wichtig, dass wir ein digitales Ökosystem aufbauen, das auf dem europäischen Wertesystem basiert.

      Welche Chancen bietet eine nationale Gesundheitsplattform?

      Ich glaube schon, dass wir eine nationale Gesundheitsplattform haben sollten, weil wer schon mal Informationen im Internet gesucht hat, verlässliche Gesundheitsinformationen, der weiß, dass das gar nicht so leicht ist.

      Alle, die schon mal Gesundheitsdienstleistungen auch digital versucht haben in Anspruch zu nehmen, wissen, dass das nicht problemlos, einfach, direkt und schnell möglich ist. Und hier sind wir überzeugt, dass ein digitales Ökosystem, was eben genau diese Möglichkeiten der besseren Vermittlung, der schnelleren Abwicklung, die das zusammenbringt und ins Gesundheitswesen hier überträgt.

      Aktuell gibt es ein solches digitales Ökosystem nicht. Wir haben hier also die einmalige Chance, eine Vorreiterposition einzunehmen, die weit über Deutschland hinaus tragen kann. Und wir haben außerdem die Chance hier, ein positives Beispiel zu setzen für ein staatlich initiiertes digitales Ökosystem, das es so in der Art noch nicht gegeben hat.

      Was wäre, wenn unsere Gesundheitssysteme nicht aktiv werden?

      Wenn die nationalen Gesundheitssysteme hier nicht aktiv werden, haben wir definitiv eine große Chance vertan, weil im Gesundheitswesen eben gerade noch dieser etablierte Player nicht da ist und damit hier die Möglichkeit noch besteht, das Ganze nach dem europäischen Wertesystem zu gestalten. Was natürlich trotzdem passieren wird, davon ist ganz stark auszugehen, dass die Tech-Giganten auch in dieses Feld entsprechend vordrängen. Weil es ein sehr lukratives Feld ist und was für sie auch sehr spannend ist.

      Es reicht nicht, ein digitales Ökosystem zu etablieren, das die geforderte Funktionalität prinzipiell und irgendwie zur Verfügung stellt. Sondern wenn wir konkurrenzfähig sein wollen, dann müssen wir ein digitales Ökosystem aufbauen, das einfach zu benutzen ist, das natürlich auch nützlich ist und das man schnell und komfortabel benutzen kann. Denn nur so sind wir konkurrenzfähig und können uns gegenüber den internationalen Tech-Giganten behaupten und ihnen nicht wieder das Feld überlassen.

      Wie haben Sie die Vision einer konkurrenzfähigen Plattform konzipiert?

      Bei der Gestaltung der nationalen Gesundheitsplattform haben wir unser bewährtes Ökosystem-Vorgehen eingesetzt. Zusammen mit einem Team der Bertelsmann Stiftung haben wir den ganz konkreten Kern unseres hier zu konzipierenden Ökosystems herausgearbeitet. Und dieser Kern ist die Vermittlung von verlässlichen Gesundheitsinformationen.

      Diese Vermittlung von verlässlichen Gesundheitsinformationen haben wir anhand eines ganz konkreten nachvollziehbaren Szenarios durchgespielt und mit vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus unterschiedlichsten Gruppen evaluiert, kontinuierlich, dabei natürlich immer wieder angepasst und in Formen gebracht, die wir eben gut mit diesen Gruppen diskutieren konnten. Dabei haben wir eines der größten Probleme, das wir an anderen Stellen oft beobachten, direkt vermieden, nämlich sich in einer abstrakten Wohlfühlvision mit scheinbar unendlichen Möglichkeiten und ohne Probleme zu verlieren.

      Warum haben Sie diese konkreten Szenarios mit Spielzeug nachgestellt?

      Ja, wir haben tatsächlich mit Playmobil-Autos und Playmobil-Figuren gearbeitet. Wir haben dabei die am Fraunhofer IESE entwickelte Tangible Ecosystem Design, kurz TED-Methode eingesetzt.

      Und das heißt, wir haben mit der Ökosystem-Methode, mit der TED-Methode hier, wirklich das gesamte Ökosystem modelliert und haben damit Rollen im Ökosystem, Interaktionen und Beziehungen herausgearbeitet.

      Was macht die Gestaltung einer Gesundheitsplattform besonders?

      Ja, bei der Gestaltung der nationalen Gesundheitsplattform sind uns tatsächlich Unterschiede aufgefallen, die im Vergleich zu anderen Ökosystemen existieren, die wir in anderen Wirtschaftssektoren begleitet haben. Also erstens mal ist natürlich da die intendierte Zielgruppe der Patientinnen und Patienten, die ist maximal groß. Gesundheit ist für alle Menschen wichtig. Aber auch die Anzahl der Teilnehmergruppen ist signifikant höher, als wir das bei anderen Ökosystemen beobachten.

      Inhalt

      Experten

      Dr. Matthias Naab und Dr. Marcus Trapp sind Co-Founder von Full Flamingo. Sie helfen Unternehmen pragmatisch, die wichtigen Entscheidungen in der digitalen Transformation abzusichern. Sie waren bis 2022 am Fraunhofer IESE als Führungskräfte tätig und haben das Thema „Digitale Ökosysteme und Plattformökonomie“ mit aufgebaut und verantwortet.

       

       

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        Nationale Gesundheitsplattform – Redaktionelle Erstellung von Inhalten

        Transkript

        Intro

        Es sollte also bei der nationalen Gesundheitsplattform nicht darum gehen, ein Konkurrenzangebot zu bereits bestehenden Informationsangeboten, sondern einen Mehrwert zu schaffen.

        Wer trägt die Verantwortung für die Inhalte einer nationalen Gesundheitsplattform?

        Bei der Frage nach der Verantwortung für die Inhalte einer nationalen Gesundheitsplattform kommt es im Wesentlichen darauf an, über welche Inhalte man spricht. Für eigene Inhalte übernimmt der Portalbetreiber zunächst einmal die Verantwortung. Bei fremden Inhalten kann eine Verantwortung dann bestehen, wenn sich der Portalbetreiber diese zu eigen macht. Etwa dann, wenn er diese vorab prüft oder anders zum Ausdruck bringt, dass er die Verantwortung für diese übernehmen möchte.

        Übernimmt eine andere Stelle die Vorabprüfung der Informationen, also eine Stelle, die nicht der Portalbetreiber ist, kann diese rechtliche Bewertung auch anders ausfallen. Dann besteht aber auch noch selbst bei fremden Inhalten die Möglichkeit, dass der Portalbetreiber in Anspruch genommen wird, beziehungsweise insoweit Verantwortung trägt. Dies bedeutet, der Portalbetreiber muss hier einen Mechanismus etablieren, damit Nutzerinnen falsche beziehungsweise rechtswidrige Informationen melden können.

        Wie ist die Erstellung eigener Inhalte unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten zu bewerten?

        Unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten ist die Erstellung eigener Inhalte einer nationalen Gesundheitsplattform schwierig zu bewerten. Jedenfalls dann, wenn staatliche Akteure an dieser Plattform mitwirken. Im Grundsatz sollen staatliche Angebote nur dort geschaffen werden, wo eine Art von Marktversagen stattfindet. Das heißt, entweder nicht hinreichend Informationen kommuniziert werden oder nicht hinreichend transparent Informationen im Gesundheitsbereich transportiert werden.

        Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass Anbieter von digitalen Gesundheitsangeboten ganz gut in der Lage sind, hier die Nachfrage zu befriedigen. Es sollte also bei der nationalen Gesundheitsplattform nicht darum gehen, ein Konkurrenzangebot zu bereits bestehenden Informationsangeboten in Online-Kontexten zu schaffen, sondern einen Mehrwert zu schaffen. Und das nicht nur für die Nutzerinnen und Nutzer, sondern eben auch für die Anbieter von digitalen Informationsangeboten im Gesundheitsbereich.

        Welche Empfehlungen lassen sich daraus für die Content-Strategie der Plattform ableiten?

        Hinsichtlich der Content-Strategie der nationalen Gesundheitsplattform wäre dabei zu berücksichtigen, dass die Erstellung von eigenen beziehungsweise zu eigen gemachten Inhalten und deren Verbreitung unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nur schwer zu rechtfertigen ist. Jedenfalls, wenn und soweit staatliche Stellen an dem Vorhaben beteiligt werden. Vorzugswürdig erscheint hier eher die Verbreitung von Fremdinhalten, also solcher Inhalte, die durch zivilgesellschaftliche beziehungsweise privatwirtschaftlich organisierte Akteure erstellt werden. Die Anbieter solcher Informationsangebote sollten fairen und transparenten Zugang zu dem Portal erhalten.

        Disclaimer

        Die in dem Interview getroffenen Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die Rechtslage in Deutschland. Sie stellen einen Leitfaden und gerade keine individuelle Rechtsberatung dar, die über das Projekt Trusted Health Ecosystems hinausgeht.

        Inhalt

        Expertin

        Prof. Dr. Laura Schulte arbeitete während ihrer Promotion an einem Lehrstuhl für Verfassungsrecht als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie promovierte zu einem datenschutzrechtlichen Thema und forschte hierzu unter anderem auch an der Queen Mary School of Law in London. Von 2020 bis 2023 war sie als Rechtsanwältin in der Kanzlei BRANDI-Rechtsanwälte am Standort Bielefeld und dort im Fachbereich IT- und Datenschutzrecht tätig. Seit August 2023 ist sie Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Bielefeld.

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          Desinformation im Gesundheitswesen: Schöne neue Kommunikationswelt

          Transkript

          Intro

          Alles ist eigentlich anders und das bedeutet, dass aber alle Gesellschaftsbereiche lernen und sich entwickeln müssen und adaptieren müssen zu dem, wie die technologischen Disruptionen eben diese neue Kommunikationswelt gestalten.

          Wie schaffen es die Menschen, sich im digitalen Zeitalter gut zu informieren?

          Die Digitalisierung hat einfach das Konzept, wie wir uns informieren und kommunizieren, vom Kopf auf die Füße gestellt. Die Gesellschaft kommt nicht so schnell voran. Ihr fehlen bisher die nötigen Informations- und Nachrichten- kompetenzen, um wirklich souverän diesen Umgang zu meistern.

          Erstmal ist das ein Demokratisierungsprozess, weil viel mehr Menschen heute mitsprechen, mitreden, mitdiskutieren können und wollen, aber eben in dieser völligen Veränderung dieser Kommunikationslandschaft eben auch völlig neue Herausforderungen zu Tage kommen in Bezug auf Regulierung, in Bezug auf Verantwortung, in Bezug auf wen haben wir da überhaupt als Akteure gerade, als Akteure unterwegs.

          Und das macht es eben gar nicht so einfach für uns als Gesellschaft, schnell genug zu reagieren, weil die technologische Disruption ist einfach gigantisch und sehr, sehr schnell. Also man kann gar nicht so schnell hinterher räumen heutzutage und gute Regulierung und Ansätze finden, wird sich eben diese Welt schon wieder verändert und jetzt neue Dinge wie KI, Chat GPT, Midjourney alle relevant werden.

          Und das sorgt dafür, dass die Gesellschaft auch überfordert ist. Also fast alle Gesellschaftssysteme müssen sehr, sehr schnell lernen und adaptieren, ob das das Bildungssystem ist, ob das das politische System ist, ob das das Gesundheitssystem ist. Alle sind auf einmal Teil von dieser Form von Öffentlichkeit und müssen natürlich dort lernen, professionell zu kommunizieren und so die Menschen zu informieren, dass sie eben mitgenommen werden. Aber eben in dieser riesigen Informationsflut ist es gar nicht so einfach, wirklich zu navigieren und von A nach B zu finden, ohne irgendwie auf Werbung, Desinformation, Katzenvideos, was auch immer reinzufallen oder hängenzubleiben.

          Können Plattformen mit Qualitätsmechanismen vor Desinformation schützen?

          Die Plattformen können den wichtigsten Beitrag sogar mit leisten, die Menschen zu schützen vor Desinformation. Wenn wir uns an die Pandemie erinnern, gab es auf einmal völlig neue Informationsangebote von den verschiedenen Plattformen.

          Bei Google, wenn ich Corona gegoogelt habe, kam auf einmal eine Seitenleiste, die mir ganz viele relevante Informationen zur Pandemie gegeben hat. Zum Beispiel, wie ist die Inzidenz in meinem Land oder wie viele Leute sind schon geimpft oder wo finde ich eben relevante Gesundheitsinformationen? Da hat Google einen guten Job gemacht, mich quasi an die Hand zu nehmen, wenn ich Informationen versuche zu googeln.

          Andere Plattformen haben es anders gelöst, manchmal auch weniger gut. Zum Beispiel hat Instagram jeden Beitrag, der irgendwie das Wort Corona oder Covid-19 enthielt, geflaggt und gesagt “Achtung, hier geht es um Corona”. Andere Plattformen haben versucht, wie bei YouTube, besser zu kuratieren, was überhaupt angezeigt wird, wenn ich nach Suchbegriffen suche.

          In dem Moment, wo die Plattform entscheidet, den Menschen zu helfen, in dem vielleicht bestimmte Inhalte kuratiert werden oder noch ein gesondertes Informationsangebot mitgegeben wird, um die Qualität einer Quelle einzuschätzen, ist das eine Riesenhilfe. Und das können Informationen über die Quelle sein, warum ist diese Quelle vertrauenswürdig oder weiterführende Informationen und Links. Und die Frage ist, wie viel Vertrauen geben die Menschen dieser Plattform, damit wir eben ein anderes Ergebnis haben.

          Im Idealfall haben wir richtig viel gelernt aus der Pandemie und wissen ziemlich genau, wenn man jetzt zum Beispiel eine neue Plattform baut, wie man diese ganzen Fragen vorher mitdenken kann. Indem ich ein Qualitätssystem aufsetze, was vorher entscheidet, welche Quellen dürfen überhaupt mitmachen, wenn man so möchte. Und ich vorher ein Regelwerk mir überlege, was genau sagt, das sind Trusted Informations und das sind eben Desinformationen, die auf unserer Plattform nichts zu suchen haben.

          Und da kann man, glaube ich, sehr viel von dem, was Google gemacht hat, wie YouTube Quellen markiert hat, wie andere Plattformen vielleicht weiterführende Links gegeben haben, lernen und mitnehmen, um eben dann in einem neuen Kommunikationsumfeld wirklich qualitativ hochwertige Informationen anbieten zu können.

          Inhalt

          Experte

          Alexander Sängerlaub ist Direktor und Co-Gründer von futur eins. Er beschäftigt sich holistisch mit digitalen Öffentlichkeiten und der Frage, wie die Utopie einer informierten Gesellschaft erreicht werden kann. Zuvor baute er im Berliner Think Tank Stiftung Neue Verantwortung den Bereich “Stärkung digitaler Öffentlichkeit” mit auf und leitete dort Projekte zu Desinformation (“Fake News”), Fact-Checking und digitaler Nachrichtenkompetenz. Er studierte Publizistik, Psychologie und Politische Kommunikation an der Freien Universität in Berlin.

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            Digitale Ökosysteme – Was ist das eigentlich?

            Transkript

            Intro

            Das sind Firmen, die ganze Lebensbereiche und Branchen drastisch verändert haben.

            Was ist unter einem digitalen Ökosystem zu verstehen?

            Auch wenn der Begriff “digitale Ökosysteme” vielleicht nicht jedem direkt geläufig ist, so kennen wir doch alle Beispiele von digitalen Ökosystemen, weil sie ganze Lebensbereiche, mit denen wir täglich konfrontiert sind, drastisch umgestaltet haben. Wir kennen Uber, wir kennen Airbnb, wir kennen den Amazon Marketplace.

            Schauen wir uns mal das Beispiel Airbnb an. Dort haben wir private Gastgeber, die Übernachtungsmöglichkeiten an andere Privatmenschen anbieten. Und dann haben wir eine ganz wichtige Rolle, nämlich zentral dazwischen ist Airbnb als Vermittler. Und diese Vermittlerrolle, das ist genau das, was eigentlich alle digitalen Ökosysteme kennzeichnet und eine Gemeinsamkeit ist.

            Diese Vermittlung passiert rein digital und die Plattform wird dann das technische Herzstück unseres digitalen Ökosystems. Und dieses digitale Ökosystem mit seiner Plattform müssen jetzt eben möglichst skalierbar sein, weil wir freiwillig Teilnehmer haben und diese freiwilligen Teilnehmer sich alle einen Vorteil davon versprechen, in dieses digitale Ökosystem zu kommen. Dann setzt sich eine Spirale in Gang. Es kommen immer mehr Anbieter rein, es kommen immer mehr Konsumenten rein. Und das sind dann genau diese Netzwerkeffekte, die häufig zitiert werden und die die Grundlage sind für alle Geschäftsmodelle in der Plattformökonomie.

            Was ist das Neue an digitalen Ökosystemen?

            Digitale Ökosysteme sind gerade nicht deswegen erfolgreich, weil sie etwas komplett Neues anbieten, sondern weil sie etwas anbieten, was es meistens vorher schon gab, aber das auf ein neues Level heben. Für die Konsumenten ist es besonders attraktiv, weil sie ein viel größeres Angebot bekommen, als es jemals der Fall war. Für die Anbieter ist es sehr attraktiv, weil sie eine riesige Konsumentenbasis als Markt erschließen können, ohne dass sie selbst diese Erschließungskosten tragen müssen. Und für den Anbieter des digitalen Ökosystems, für den Betreiber ist es natürlich auch sehr lukrativ.

            Und im öffentlichen Bereich ist es jetzt eben so, dass es dort aber noch sehr wenige und vor allem wenige erfolgreiche digitale Ökosysteme gibt und dass wir vielmehr die Chance auch nutzen müssen, dieses erfolgreiche Prinzip für die öffentliche Verwaltung und den öffentlichen Sektor auszunutzen und die Power der Plattformökonomie dort entsprechend einzusetzen.

            Und welche Risiken gibt es?

            Ja, überall, wo es viele Vorteile gibt, gibt es natürlich auch Risiken. Ein digitales Ökosystem startet man typischerweise in einem Land, lässt es dort wachsen, aber wegen der starken Skalierbarkeit ist es eben dann auch sehr schnell möglich, in andere Märkte und Länder einzudringen. Und somit sehen wir natürlich ein gewisses Risiko, dass internationale Player auch in den deutschen Markt relativ einfach eintreten können, dort sehr schnell wachsen und dann auch die Regeln hier diktieren können, wie das digitale Ökosystem funktioniert. Und wenn das Ökosystem wirklich groß ist und wenn das sehr etabliert ist und es dann auch nicht viele Alternativen gibt, dann birgt das natürlich das Risiko für die anderen Teilnehmenden, dass sie auch keine echte Alternative dazu mehr haben.

            Wie lassen sich Ökosysteme regulieren?

            Dem Risiko des Machtmissbrauchs kann man relativ schwer begegnen. Es ist ja typischerweise so, dass Unternehmen digitale Ökosysteme im Rahmen der geltenden Gesetze aufbauen und damit immer erfolgreicher werden. Trotzdem entsteht hier diese Machtkonzentration eben und der versucht man dadurch zu begegnen, dass man vor allem auch auf europäischer Ebene durch eine entsprechende Regulierung Rahmenbedingungen schafft, die eine zu starke Machtkonzentration verhindert.

            Das andere Risiko eher auf der Ebene der Marktdominanz, das kann man dadurch angehen, dass man eben es versucht und fördert, dass auch mehr digitale Ökosysteme in Deutschland entstehen und damit auch ein natürliches Gegengewicht zu internationalen Playern dann entsteht und passiert. Ein zusätzlicher Aspekt, den wir auch noch reinbringen können, ist, dass gerade wenn der Staat auch unterstützend auftritt, dass er dann entsprechend einwirken kann, sowohl auf die Rahmenbedingungen als auch die entsprechenden Wertevorstellungen, die in so einem digitalen Ökosystem umgesetzt werden.

            Sind alle digitalen Ökosysteme auf Profit ausgerichtet?

            Es ist nicht zwingend notwendig, dass sie eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen. Wir kennen Beispiele wie Wikipedia, was sehr weit verbreitet ist, oder auch Better Place, eine Spendenplattform, die sich selbst dann auch wieder über Spenden finanzieren. Eine andere Möglichkeit ist, dass man sich entsprechende Sponsoren sucht oder auch die öffentliche Hand als Sponsor auftritt und auch darüber kann ein digitales Ökosystem etabliert und betrieben werden.

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            Experte

            Dr. Matthias Naab ist Co-Founder von Full Flamingo. Gemeinsam mit seinen Partnern hilft er Unternehmen pragmatisch, die wichtigen Entscheidungen in der digitalen Transformation abzusichern. Bis 2022 am Fraunhofer IESE als Führungskraft tätig, hat er das Thema „Digitale Ökosysteme und Plattformökonomie“ mit aufgebaut und verantwortet.

             

             

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