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Unsere Vision der nationalen Gesundheitsplattform

Transkript

Was wäre, wenn es einen Ort im Internet gäbe, an dem Patientinnen und Patienten die für die eigene Gesundheit relevanten Informationen erhalten, die sie wirklich brauchen? Zum richtigen Zeitpunkt, ohne überhaupt danach zu suchen. Einen Ort, an dem sie vor Desinformation sicher sind, an dem der Schutz persönlicher Gesundheitsdaten respektiert und Datensouveränität groß geschrieben wird.

Einen solchen Ort haben wir im Projekt “Trusted Health Ecosystems” als Vision einer nationalen Gesundheitsplattform entwickelt. Unsere Vision bündelt Produkte qualitätsgeprüfter Anbieter. Dadurch entstehen passgenau zugeschnittene Informationen. Wir nennen das Patienteninformationspfade. Wir laden Sie nun auf eine Erkundungstour durch einen fiktiven Informationspfad ein.

Der Login erfolgt mittels der geplanten digitalen Gesundheits-ID. Das vermeidet aufwendige Registrierungsprozesse und schafft maximale Sicherheit bei der Identifikation. Die Benutzeroberfläche eines Informationspfads erinnert an soziale Netzwerke. Man findet sich im Feed also schnell zurecht. Im Zeitverlauf füllt sich dieser Feed aus unterschiedlichen Quellen mit personalisierten Informationen.

Auf unserer Tour erkunden wir nun den Informationspfad von unserer fiktiven Patientin Katharina Funke. Sie hat Knieschmerzen und erhält von ihrer Hausärztin die Verdachtsdiagnose Kniearthrose. Anders als bei der klassischen Recherche über eine Suchmaschine beginnen Patienteninformationspfade dort, wo Vertrauen entsteht, nämlich in den Behandlungszimmern von Ärztinnen und Ärzten oder anderen Gesundheitsberufen.

In unserem Beispiel hat die Hausärztin Katharina Funke den Informationspfad Kniearthrose empfohlen und ihr einen Link dazu übermittelt. Katharina Funke erhält zunächst grundlegende Informationen zu ihrer Verdachtsdiagnose, die ihr einen allgemeinen Überblick über die Erkrankung verschaffen. In den folgenden Wochen und Monaten wird Katharina Funke unterschiedliche Instanzen des Gesundheitssystems durchlaufen. Von der Diagnostik beim Facharzt über die Entscheidung für eine Operation im Krankenhaus und die medizinische Rehabilitation bis hin zur beruflichen Wiedereingliederung.

Ihr persönlicher Feed versorgt Katharina Funke immer mit den passenden Informationen zu ihrer Erkrankung, zum Versorgungssystem, zu Behandlungsalternativen und zu sozialrechtlichen Fragestellungen. Um den Feed individuell zuschneiden zu können, nutzt das System nach erfolgter Freigabe durch die Patientin oder den Patienten externe Datenquellen, wie die elektronische Patientenakte oder Gesundheits-Apps. Diese Daten liefern wichtige Hinweise zum aktuellen Bedarf. So werden relevante Informationen immer dann angeboten, wenn sie wirklich gebraucht werden. Information und Aufklärung sind dann kein punktuelles Ereignis mehr, sondern folgen einem Prozess.

Daher gleicht kein Informationspfad dem anderen. Die Inhalte folgen dynamisch dem individuellen Bedarf. Und das System bietet auch Informationen an, nach denen Nutzerinnen und Nutzer vielleicht gar nicht gesucht hätten. Wer zum Beispiel Krankengeld bezieht, sollte die damit verbundenen Pflichten kennen, um diesen Anspruch nicht zu verlieren. Sofern die Plattform über Kontextinformationen zur Krankschreibung verfügt, können solche Hinweise rechtzeitig angeboten werden.

Und das System kann noch mehr. Sobald ein neues Medikament verordnet wird, erscheint im Feed die passende Information zum Arzneimittel in Echtzeit. Vorausgesetzt Katharina Funke ist damit einverstanden. Außerdem bietet der Informationsfad immer auch passende digitale Services an. Wer den Hinweis zu einem neuen Arzneimittel erhält, kann im nächsten Schritt das digitale Rezept gleich einlösen. Des Weiteren informiert der Feed Katharina Funke über unterschiedliche Behandlungsoptionen und empfiehlt ihr parallel dazu digitale Zweitmeinungs-Services.

So hilft ihr die Plattform, neu erworbenes Wissen umzusetzen oder in Entscheidungen einfließen zu lassen.

Für die Komposition des individuellen Angebots greift das System auf die Informationen und Services von einer Vielzahl zertifizierter Anbieter zurück. Dazu zählen öffentliche Institutionen und gemeinnützige Organisationen ebenso wie kommerzielle Unternehmen. Das eröffnet den Nutzerinnen und Nutzern eine breite Auswahl passender Angebote und erschließt die Innovationskraft der gesamten Gesundheitsbranche. Falls mehrere Angebote infrage kommen, wird das Angebot angezeigt, das die beste Bewertung durch die Nutzer-Community erhalten hat. Über eine Schubladenfunktion lassen sich die übrigen Angebote jederzeit einsehen und auswählen.

So oder so ähnlich könnte eine nationale Gesundheitsplattform aussehen, die wirklich einen Unterschied macht. Für Patientinnen und Patienten und für das gesamte Gesundheitswesen.

Für die Realisierung einer solchen Plattform bedarf es natürlich einer rechtlichen Grundlage. Und es setzt die enge Zusammenarbeit aller relevanten Akteure voraus.

Mit unserer Produktvision möchten wir all diejenigen inspirieren, die an der Entwicklung einer nationalen Plattformstrategie mitwirken möchten.

Was wäre, wenn öffentliche Institutionen, Gesundheitsberufe, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in einem digitalen Ökosystem zusammenarbeiten?

Was wäre, wenn wir die Informationsarchitektur im Gesundheitswesen grundlegend verändern?

Empfohlene Artikel

Entdecken statt suchen: Prototyp für eine nationale Gesundheitsplattform

Der Kernservice der hier skizzierten nationalen Gesundheitsplattform besteht darin, personalisierte Informationspfade bereitzustellen, die dem sich wandelnden Informationsbedarf folgen und den Umgang mit Gesundheitsinformationen erheblich erleichtern könnten. Um unsere Idee zu illustrieren, haben wir ein prototypisches Design entwickelt, das zeigt, wie die nationale Gesundheitsplattform einmal aussehen könnte. Patientinnen und Patienten nutzen immer häufiger das Internet, um sich jenseits des traditionellen Gesundheitssystems zu informieren. Dabei greifen sie bislang vor allem auf die großen Suchmaschinen zurück.

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Ohne Kontext ist alles nichts

Wer ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt, muss meist viele Fragen zur Krankengeschichte beantworten. Ärztinnen und Ärzte stellen diese Fragen, um die Zahl der möglichen Diagnosen einzugrenzen. Diese sogenannte Anamnese ist ein fester Bestandteil der ärztlichen Diagnostik und die darin enthaltenen Kontextinformationen helfen, im nächsten Schritt die passende Behandlung zu finden. So lassen Kontextinformationen in den unterschiedlichsten Bereichen unseres Lebens Nutzen entstehen.

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Informationsvermittlung als Prozess begreifen

Viele Anbieter von Gesundheitsinformationen verfolgen gute Absichten. Sie möchten das Gesundheitsverhalten ihrer Adressaten positiv beeinflussen, Hilfestellung bei der Krankheitsbewältigung leisten oder Behandlungsentscheidungen unterstützen. Im digitalen Zeitalter verfehlen viele dieser Informationen jedoch das Nadelöhr der Aufmerksamkeit und verhallen wirkungslos in der ständig wachsenden Informationsflut.

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    Vertrauen in digitale Systeme

    Inhalt

    Hinter unserer Vision einer nationalen Gesundheitsplattform steht ein übergeordneter Wert: Vertrauen. Datenmissbrauch, intransparente Algorithmen, die Zunahme von Cyberangriffen, Desinformation und die ungeklärte Frage, wie digitale Welten reguliert und kontrolliert werden sollten, lassen eine tiefgreifende Vertrauenskrise entstehen, die das Fundament unserer Gesellschaft in vielen Lebensbereichen erschüttert. Das Vertrauen in digitale Ökosysteme spielt jedoch eine entscheidende Rolle für deren erfolgreiche Gestaltung und langfristige Existenz. Das gilt auch und insbesondere für das Gesundheitswesen.

    Vertrauen ist die Grundlage, auf der sämtliche Interaktionen und Transaktionen innerhalb eines digitalen Ökosystems basieren. Menschen müssen darauf vertrauen können, dass ihre persönlichen Daten sicher sind, dass Informationen verlässlich sind und dass ihre Interessen respektiert werden. Aber wie kann dieses Vertrauen entstehen? Die Antwort lässt sich aus den Risiken ableiten, denen Nutzerinnen und Nutzer digitaler Plattformen ausgesetzt sind: Neben dem Risiko eines Datenmissbrauchs durch Plattformbetreiber drohen Hackerangriffe auf personenbezogene Daten, Diskriminierung und Manipulation durch intransparente algorithmische Systeme oder unfaire Geschäftspraktiken. Entsprechend ergibt sich ein Kanon vertrauensbildender Faktoren, die für den Aufbau einer nationalen Gesundheitsplattform zu berücksichtigen sind:

    • Die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen und rechtlichen Standards ist ein nicht verhandelbarer Aspekt. Der Schutz der Privatsphäre und die Einhaltung geltender Gesetze sind unabdingbar, um das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer zu gewinnen und zu bewahren.
    • Digitale Plattformen müssen robuste Sicherheitsmaßnahmen implementieren, um vor Bedrohungen wie Cyberangriffen und Datenlecks bestmöglich geschützt zu sein. Zudem sollten Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit erhalten, ihre eigenen Sicherheitseinstellungen anzupassen.
    • Informationen und Dienste sollten hohen Ansprüchen an Qualität und Verlässlichkeit gerecht werden. Dazu gehört auch die Einbindung von Patientenorganisationen sowie Expertinnen und Experten in die Entwicklung und Überwachung der Plattform (vgl. InfoCure: Qualität sichtbar machen).
    • Fairness gegenüber allen Nutzerinnen und Nutzern liefert die Basis für jede einzelne Interaktion. Plattformbetreiber müssen sicherstellen, dass ihre digitalen Systeme fair, gerecht und diskriminierungsfrei sind, um Vertrauen zu gewinnen und langfristig zu erhalten.
    • Transparenz ist ein weiterer zentraler Faktor: Nutzerinnen und Nutzer müssen nachvollziehen können, wie ihre Daten gesammelt, verarbeitet und genutzt werden. Das gilt auch für den Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen.
    • Neben technischen und rechtlichen Aspekten spielt die Kommunikation eine zentrale Rolle. Durch Aufklärung über Datenschutz und Sicherheit können Menschen besser verstehen, welche Risiken und Chancen die Nutzung digitaler Plattformen mit sich bringt, und sie sind eher bereit, Vertrauen in diese Systeme zu setzen.
    • Die Partizipation von Nutzerinnen und Nutzern im Entwicklungsprozess kann ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten, das Vertrauen in eine nationale Gesundheitsplattform zu stärken. Werden verschiedene Zielgruppen und Perspektiven in den Entwicklungsprozess einbezogen, fördert dies zudem die Diversität und Inklusion im digitalen Ökosystem.

    In Zeiten von Desinformation und Verschwörungsmythen brauchen wir digitale Vertrauensräume, in denen wir verlässliche Informationen aus vertrauenswürdigen Quellen erhalten, und wo Datensouveränität respektiert sowie Transparenz gelebt wird. Vertrauen in digitale Systeme entsteht erst im Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Schlüsselfaktoren, die eine nationale Gesundheitsplattform maßgeblich prägen sollten. Alle beteiligten Akteure des Ökosystems müssten gemeinsam daran arbeiten, diese Grundlagen zu stärken und die Plattform so zu einem „vertrauenswürdigen Ort“ zu machen.

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      Ohne Kontext ist alles nichts

      Dr. Matthias Naab
      Dr. Marcus Trapp

      Wer ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt, muss meist viele Fragen zur Krankengeschichte beantworten. Ärztinnen und Ärzte stellen diese Fragen, um die Zahl der möglichen Diagnosen einzugrenzen. Diese sogenannte Anamnese ist ein fester Bestandteil der ärztlichen Diagnostik und die darin enthaltenen Kontextinformationen helfen, im nächsten Schritt die passende Behandlung zu finden. So lassen Kontextinformationen in den unterschiedlichsten Bereichen unseres Lebens Nutzen entstehen. Dieser Gedanke bildet auch das Leitprinzip der hier vorgestellten Konzeption für eine nationale Gesundheitsplattform.

      Nicht nur im medizinischen Umfeld, auch im Alltagsleben ist es sehr hilfreich, etwas über den Kontext zu wissen, um bestimmte Probleme lösen oder anderen Menschen Ratschläge geben zu können. Wenn uns jemand nach dem Weg zu einem bestimmten Ziel fragt, müssen wir zumindest wissen, wo sich die Person gerade befindet und welche Verkehrsmittel ihr zur Verfügung stehen. Fragt uns jemand nach Beziehungstipps, sollten wir ebenfalls etwas zur aktuellen Partnerkonstellation und Beziehungssituation wissen.

      Der Blick auf die uns umgebende IT-Welt lässt dies noch deutlicher werden. Wenn wir mit Software-Systemen arbeiten, die keinerlei Kontext einbeziehen, erscheinen sie uns oft limitiert. So spucken etwa die Basisversionen von Suchmaschinen, denen kein Kontext zur Verfügung steht, riesige Mengen an Ergebnissen aus. Die Suche nach „Restaurant“ führt dann unter anderem zu Erklärungstexten, die den Begriff Restaurant definieren. Das mag für manche Suchintention sogar das richtige Ergebnis sein, doch die meisten Menschen suchen nach „Restaurant“, wenn sie wissen möchten, welche Restaurants sich in der Nähe befinden.

      Bezieht die Suchmaschine den eigenen Kontext automatisch ein, so wird das Ergebnis plötzlich vielfach bedeutender: Die aktuelle Position führt dann zu Restaurantvorschlägen in der Nähe. Berücksichtigt die Software noch weitere Aspekte wie Uhrzeit oder persönliche Essenspräferenzen, so wird das Ergebnis immer hilfreicher und schränkt die Vorauswahl auf passende Restaurants ein, die gerade geöffnet sind und zu den individuellen Vorlieben passen. Alternativ bestünde immer die Möglichkeit, die gesammelten Kontextinformationen selbst einzugeben, etwa den Ort oder den Zeitpunkt des Besuchs. Solche Nutzerangaben würden dann ebenfalls gute Ergebnisse liefern, gleichzeitig aber auch den Bedienungsaufwand erhöhen.

      Suchmaschinen sind nur ein Beispiel; es gibt zahlreiche weitere Softwareapplikationen, die durch die Einbeziehung von Kontextinformation gleichermaßen bessere Ergebnisse liefern: Seien es Navigationssysteme, die für eine zuverlässige Navigation kontinuierlich den aktuellen Standort benötigen, seien es Fitnesstracker, die Empfehlungen aus zahlreichen beobachteten Körperwerten ableiten, oder seien es Partnervermittlungsportale, die nur vielversprechende Vorschläge machen können, wenn Eigenschaften und Vorlieben geteilt werden.

      Die Vielfalt von Softwareapplikationen, die mithilfe von Kontext arbeiten und auf diese Weise Nutzen bringen, hat dafür gesorgt, dass die überwältigende Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzern damit grundsätzlich vertraut ist und entsprechende Kontextfaktoren mit den Softwaresystemen teilt, um in den Genuss individuell zugeschnittener Angebote zu kommen.

      Als intelligent und besonders hilfreich wahrgenommene Features basieren so gut wie immer auf der Verwendung von Kontextinformationen und lassen die Ansprüche der Nutzerschaft immer weiter wachsen. Wer neue, erfolgreiche Dienste erschaffen möchte, setzt daher auf einen höheren Automatisierungsgrad sowie bessere Nutzungserfahrung und führt dazu vorhandene Informationen und Kontextinformationen zusammen.

      Erst Kontext ermöglicht echten Patientennutzen

      Ein zentrales Ziel der nationalen Gesundheitsplattform besteht darin, Patientinnen und Patienten vertrauenswürdige Gesundheitsinformationen und -services anzubieten, die optimal für deren aktuelle gesundheitliche Situation ausgewählt und aufbereitet sind.

      Die Abbildung unten zeigt eine minimalistische Form der nationalen Gesundheitsplattform. Hier werden Informations- und Serviceangebote an Patientinnen und Patienten vermittelt, ohne dass explizit Kontextinformationen von außerhalb einfließen.

      Die nationale Gesundheitsplattform soll einen möglichst hohen Nutzen für Patientinnen und Patienten erzeugen, indem verlässliche Gesundheitsinformationen und -services so passend wie möglich zur aktuellen gesundheitlichen Situation angeboten werden. Um dies leisten zu können, müssten notwendige Kontextinformationen manuell von der jeweilige Patientin oder dem Patienten eingegeben werden. Diese Lösung ist in der heutigen Zeit jedoch kaum noch akzeptabel, denn sie würde nutzerseitig hohe Aufwände erzeugen und daher keine nennenswerte Verbreitung finden. Allerdings ist es unerlässlich, den jeweiligen Kontext von Patientinnen und Patienten als Grundlage der Auswahl und des Angebots einzubeziehen.

      Die Kernidee der hier entworfenen Plattform besteht darin, Kontextinformationen, die schon an unterschiedlichen Stellen in anderen IT-Systemen (z. B. in Praxisverwaltungssystemen, in der elektronischen Patientenakte oder in Health Trackern) verfügbar sind, für die Auswahl von Informationen und digitalen Services auf der nationalen Gesundheitsplattform nutzbar zu machen. Somit können Patientinnen und Patienten selbstbestimmt Kontextinformationen zu ihrer Person aus anderen IT-Quellen für ein besonders hilfreiches und einfaches Nutzungserlebnis einfließen lassen. Die so erzielbare Qualität in den Ergebnissen könnte künftig ein starkes Alleinstellungsmerkmal der Plattform bilden.

      Wie aus Kontextinformation konkreter Patientennutzen entsteht

      Nur wenn es gelingt, Services und Informationen automatisch und mit hoher Passung zum individuellen Kontext bereitzustellen, werden Nutzende sie akzeptieren. Deshalb soll die nationale Gesundheitsplattform Informationen in einen strukturierten Lern- und Interaktionsprozess einbetten und so eine Vielzahl personalisierter Patienteninformationspfade entstehen lassen (vgl. Entdecken statt suchen).

      Als Patienteninformationspfad wird ein konkreter Interaktionsdurchlauf einer Patientin oder eines Patienten verstanden, bei dem immer passend zum Kontext geeignete Services und Informationen angeboten werden und somit zielgerichtet Unterstützung geleistet wird, die als nutzbringend wahrgenommen wird. Ausgehend von der Vielzahl möglicher Informationspfade, stellt sich die Frage, wie diese Art der Unterstützung automatisch erzeugt werden kann. Selbst für Fachleute ist es herausfordernd, aus einer riesigen Menge von Informations- und Serviceangeboten die richtige Auswahl zu treffen.

      Die Lösung liegt in einer neu geschaffenen Modellierungssprache. Damit können Expertinnen und Experten ein Pfadmodell als Vorlage für den im Krankheitsverlauf auftretenden Informationsbedarf modellieren. Die so entstehenden Pfadmodelle berücksichtigen unterschiedliche Aspekte wie den Behandlungsverlauf im medizinischen Versorgungssystem, aber auch unterschiedliche Phasen der Krankheitsbewältigung oder leistungsrechtliche Fragen.

      Pfadmodellentwickler

      Die Entwicklung der Pfadmodelle erfordert noch eine weitere Rolle im digitalen Ökosystem: die der Pfadmodellentwickler. Dabei handelt es sich um Expertinnen und Experten, die den erwartbaren Informationsbedarf zu einer Indikation auf Basis typischer Krankheits-, Behandlungs- und Bewältigungsverläufe beschreiben. Der Community-Ansatz kann an dieser Stelle dazu beitragen, eine schnell wachsende und detaillierte Wissensbasis in der nationalen Gesundheitsplattform entstehen zu lassen.

      Bei der Modellierung spielt die Verarbeitung von Kontextinformationen eine zentrale Rolle: Der modellierte Verlauf wird mit den im Zeitverlauf erwartbaren Informationsbedarfen verknüpft. Zu bestimmten Kontexten (z. B. konservative versus operative Therapie) wird dann festgelegt, welche Gesundheitsinformationen und -services hier angeboten werden sollten. Auf diese Weise findet das Fach- und Erfahrungswissen ganz unterschiedlicher Akteure und wissenschaftlicher Disziplinen seinen Weg in die Informationspfade.

      Dieser Einsatz einer Experten-Community bildet einen Grundpfeiler der Qualitätssicherung und lässt modelliertes Wissen entstehen, das nachprüfbar und erklärbar ist. Ausgehend von Informationen zum situativen Kontext, werden die modellierten Vorlagen dynamisiert und erweitert. Durch diese Kombination aus Mensch und Technologie dürfte im Gegensatz zu rein KI-basierten Lösungen das Vertrauen in eine nationale Gesundheitsplattform gestärkt werden.

      Im Falle einer Umsetzung würden auf der nationalen Gesundheitsplattform millionenfach und automatisch personalisierte Patienteninformationspfade erzeugt und genutzt. Dabei werden durch die Pfadmodelle konkrete und patientenspezifische Kontextinformationen zur jeweils aktuellen Auswahl der angebotenen Gesundheitsinformationen und -services verwendet. Somit bilden die mit Fach- und Erfahrungswissen aufgeladenen Pfadmodelle das fehlende Puzzlestück, um Patientinnen und Patienten ein individuell zugeschnittenes Informationsangebot unterbreiten zu können.


      Was ist Kontext eigentlich genau? Ordnung im Begriffswirrwarr

      Bisher wurde der Begriff „Kontextinformationen“ in diesem Artikel abstrakt verwendet. Wenn über Daten und Informationen gesprochen wird, kommt es jedoch häufig zu Missverständnissen. Einerseits wird meist nicht unterschieden, um welche Daten und Informationen es sich genau handelt, und andererseits wird zu wenig über Einsatzzwecke, entstehende Nutzen und resultierende Schutzbedürfnisse gesprochen. Deshalb soll der Begriff „Kontext“ hier näher erläutert und abgegrenzt werden.

      Wenn in diesem Text von „Kontext“ die Rede ist, so meint dies Informationen über den jeweiligen Kontext einer bestimmten Person, die in IT-Systemen zur Verfügung stehen, um Angebote zu personalisieren. Zu Kontextinformationen zählen beispielsweise

      • grundsätzliche Personeneigenschaften: z. B. Alter, Geschlecht, Gewicht
      • Präferenzen der Patientinnen und Patienten: z. B. Präferenzen zu Informationsanbietern, Präferenzen zu Eigenschaften von Informationen (Sprache, Verständlichkeit etc.)
      • Informationen zum Gesundheitsstatus: z. B. Indikationen, Einnahme von Medikamenten, Nutzung von Gesundheitsdienstleistungen
      • Aktuelle Informationen: z. B. zu „Ereignissen“ wie der Verordnung eines neuen Medikaments, der Einweisung in ein Krankenhaus oder zu situativen Stimmungen und dem aktuellen Befinden
      • Informationen über Nutzung in der nationalen Gesundheitsplattform: z. B. schon gelesene Artikel, Feedback zu Artikeln

      Andere Informationen mit hoher Relevanz, die aber nicht zu den Kontextinformationen zählen, sind beispielsweise die verlässlichen Gesundheitsinformationen (z. B. erklärende Artikel zu einer bestimmten Krankheit). Diese werden von den Anbietern bereitgestellt und weisen keinerlei Personenbezug auf.

      Kontextinformationen haben in der hier skizzierten nationalen Gesundheitsplattform immer nur den direkten Zweck, den Nutzen für Patientinnen und Patienten zu erhöhen. Darauf baut auch der Schutz dieser Daten auf.


      Kontextinformationen in vertrauenswürdigen Händen

      Grundsätzlich könnten unterschiedliche Akteure im Markt ein digitales Ökosystem etablieren und mit dem Einverständnis von Patientinnen und Patienten ihre spezifischen Kontextinformationen in einer Plattform zusammenführen und weiterverarbeiten. Jeder Plattformbetreiber wird jedoch seine eigenen Wertvorstellungen bei der Gestaltung seiner Plattform einbringen. Bei der Konzeption der nationalen Gesundheitsplattform wurde daher besonders viel Wert darauf gelegt, eine vertrauenswürdige Trägerstruktur zu etablieren, die für einen verantwortungsvollen Umgang mit den sensiblen Kontextinformationen steht (vgl. Gesundheitsökosysteme erfolgreich etablieren).

      Kontextinformationen sollen immer nur mit dem Ziel verarbeitet werden, bessere Nutzungserfahrungen und bessere Informations- und Serviceangebote zu liefern. Genau darauf liegt der Fokus und deshalb werden diese Informationen nicht für ewige Zeit oder für andere Verwendungszwecke vorgehalten. Sofern die Datennutzung zu anderen Zwecken nicht explizit freigegeben wurde, werden die Daten nur so lange gespeichert, wie es für die Erfüllung des Zwecks notwendig ist.

      Die Patientin oder der Patient sollte über ein differenziertes Einwilligungssystem jederzeit die volle Kontrolle über die Verwendung personenbezogener Kontextinformationen behalten. Hierzu sollte es zu jeder Zeit möglich sein, die unterschiedlichen Anbieter und Quellen von Kontextinformationen zu steuern.

      Die gesamte Konstruktion zielt darauf ab, wertvollen Patientennutzen zu stiften und diesen auch klar in Richtung aller Akteure im Gesundheitswesen zu kommunizieren. Maßgeblich ist, dass durch den verantwortungsbewussten und transparenten Einsatz von Gesundheitsdaten Wohlfahrtseffekte und individuelle Nutzen entstehen können. Natürlich ist der Schutz personenbezogener Daten dabei stets zu gewährleisten.

      Kontext macht den Unterschied

      Kontext ist ein entscheidender Faktor, um Softwarelösungen nützlich und angenehm zu gestalten. Das gilt grundsätzlich für alle Bereiche und natürlich auch für das Gesundheitswesen. Während die Menschen diese Vorteile in vielen anderen Bereichen schon länger genießen, stoßen sie im Gesundheitswesen immer wieder auf fraktionierte Systeme, die den Kontext nicht oder nur unzureichend berücksichtigen.

      Mit den Patienteninformationspfaden könnte ein unmittelbar einleuchtender Nutzen für Patientinnen und Patienten geschaffen werden, denn der auf Kontextinformationen basierende, personalisierte Ansatz ermöglicht individuelle Nutzungserfahrungen und spart viel Zeit durch eine Angebotsauswahl mit hoher Passgenauigkeit.

      Autoren

      Dr. Matthias Naab und Dr. Marcus Trapp sind Co-Founder von Full Flamingo. Sie helfen Unternehmen pragmatisch, die wichtigen Entscheidungen in der digitalen Transformation abzusichern. Sie waren bis 2022 am Fraunhofer IESE als Führungskräfte tätig und haben das Thema „Digitale Ökosysteme und Plattformökonomie“ mit aufgebaut und verantwortet.

       

       

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        Informationsvermittlung als Prozess begreifen

        Dr. Sebastian Schmidt-Kaehler
        Dr. Inga Münch

        Viele Anbieter von Gesundheitsinformationen verfolgen gute Absichten. Sie möchten das Gesundheitsverhalten ihrer Adressaten positiv beeinflussen, Hilfestellung bei der Krankheitsbewältigung leisten oder Behandlungsentscheidungen unterstützen. Im digitalen Zeitalter verfehlen viele dieser Informationen jedoch das Nadelöhr der Aufmerksamkeit und verhallen wirkungslos in der ständig wachsenden Informationsflut. Kontextsensitive Informationspfade könnten Abhilfe schaffen und Streuverluste verringern.

        Die Produktion und Bereitstellung von Gesundheitsinformationen folgen nicht selten der Vorstellung, dass Informationen von einem Sender über einen Kanal an einen Empfänger übermittelt werden, der diese dann versteht und in neues Wissen überführt. Ist eine Nachricht einmal übermittelt, kann sie ihre Wirkung entfalten, Entscheidungen prägen oder das Verhalten beeinflussen. Diese Vorstellung des sogenannten Sender-Empfänger-Modells aus den 1940er Jahren wird der Wirklichkeit jedoch kaum gerecht, denn die Aneignung von Informationen ist kein punktuelles Ereignis, sondern ein hochkomplexer Lernprozess mit vielen Einflussfaktoren.

        Eine wissenschaftliche Disziplin, die sich dieser Komplexität des Wissens- und Kompetenzerwerbs seit jeher widmet, sind die Erziehungswissenschaften: Die pädagogische Didaktik hat das einfache Sender-Empfänger-Modell schon immer in Frage gestellt und wendet sich gegen vermeintliche „Eintrichterungstheorien“. Sie begreift Lernen stattdessen als einen individuellen Prozess der Selbstorganisation von Wissen. Der Erwerb von Wissen und Kompetenzen wird dabei niemals als Momentaufnahme, sondern als fortlaufender und planbarer Prozess verstanden, der sich auf der kognitiven wie emotionalen Ebene gleichermaßen ereignet. Dieser Vermittlungsprozess ließe sich bildhaft als Lern- oder Informationspfad beschreiben, der auch Hinweise darauf liefert, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt benötigt werden.

        „Wissen kann nie als solches von einer Person zur anderen übermittelt werden. Die einzige Art und Weise, in der ein Organismus Wissen erwerben kann, besteht darin, es selbst aufzubauen oder für sich selbst zu konstruieren.“

        Ernst von Glasersfeld (1987)

        Selektive Informationsverarbeitung

        Die menschlichen Aufmerksamkeitsressourcen sind begrenzt und so werden längst nicht alle Informationen, die auf uns einströmen, bewusst wahrgenommen und verarbeitet. Damit Menschen auf Informationen aufmerksam werden, müssen diese situativ von Bedeutung sein und in den jeweiligen Kontext passen. Das gilt auch und insbesondere für Gesundheitsinformationen, denn Patientinnen und Patienten durchlaufen mit der Zeit unterschiedliche Krankheitsstadien, die mit einem sich ständig wandelnden Informationsbedarf einhergehen.

        Solche Stadien lassen sich etwa im Hinblick auf den individuellen Behandlungspfad beschreiben. Dieser beginnt häufig mit der Akutversorgung und einer ersten Diagnosestellung, die bei Patientinnen und Patienten zunächst den Bedarf nach grundlegenden Informationen zur jeweiligen Erkrankung wecken dürfte. In der nächsten Phase geht es um Therapieentscheidungen und möglicherweise auch die Auswahl einer spezialisierten Einrichtung für die weitere Behandlung. Während der Rehabilitation oder Nachsorge interessieren sich die Betroffenen weniger für Informationen zu Diagnose- und Behandlungsverfahren als vielmehr für Informationen und Unterstützung beim Umgang mit der jeweiligen Erkrankung.

        Die Erkenntnisse zum Einfluss unterschiedlicher Stadien auf die selektive Aufmerksamkeit kann auch mit dem klassischen Modell der Krankheitsbewältigung in Beziehung gesetzt werden. Demnach folgt der Diagnose einer schweren Erkrankung zunächst eine von Angst und Unruhe geprägte Phase, in der die Diagnose nicht selten verleugnet wird. Häufig folgt dem ersten Schock eine Phase der Wut und anschließend eine der Verzweiflung und persönlichen Verletzlichkeit. Nach einem inneren Aushandlungsprozess wird schließlich auf der letzten Stufe die Erkrankung akzeptiert und angenommen. Die beschriebenen Phasen sowie die damit verbundenen Affekte können die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen maßgeblich beeinflussen.

        Gesundheitsinformation werden oft auch mit dem Ziel erstellt, das individuelle Gesundheitsverhalten positiv zu beeinflussen oder ein Risikoverhalten zu minimieren. Hinweise auf die Frage, welche Informationen hier zu welchem Zeitpunkt von Bedeutung sind, liefern die gesundheitswissenschaftlichen Stadien- und Stufenmodelle des Gesundheitsverhaltens. Auch diese Modelle postulieren, dass Menschen auf dem Weg zu einer Verhaltensänderung immer eine Entwicklung mit verschiedenen Stufen durchlaufen.

        Zwischen Anspruch und Realität

        Die Stadien- und Stufenmodelle aus den Gesundheitswissenschaften machen deutlich, wie wichtig eine strukturierte und prozesshaft angelegte Informationsvermittlung ist, um informierte Entscheidungen zu ermöglichen und die individuelle Gesundheitskompetenz zu fördern. Sie legen nahe, dass immer nur solche Informationen angeboten werden sollten, die in der jeweiligen Krankheits-, Bewältigungs- und Versorgungsphase auch tatsächlich relevant sind.

        Die Realität ist jedoch eine andere: Meist werden Patientinnen und Patienten aus ganz unterschiedlichen Quellen mit Informationen unterschiedlicher Qualität überflutet. Sie führen Aufklärungsgespräche, erhalten Informationen über die Trefferlisten der Suchmaschinen, geraten in die Informationsblasen und Echokammern der sozialen Netzwerke, lesen Informationsbroschüren von Krankenversicherungen und erhalten engagierte Ratschläge aus dem Bekannten- und Verwandtenkreis. All das passiert in der Regel parallel und unkoordiniert.

        „Wer im Internet nach Informationen sucht, dem geht es so wie jemandem, der um ein Glas Wasser bittet und aus einem Feuerwehrschlauch bedient wird und dabei nicht weiß, wo das Wasser herkommt.“

        Michael Scholz (WHO) 2003

        Die bislang praktizierte, unkoordinierte Bereitstellung und Verbreitung von Gesundheitsinformationen ist angesichts der Informationsflut im digitalen Zeitalter keine erfolgversprechende Strategie, um den Menschen gesunde Entscheidungen zu ermöglichen. Im Jahr 2019 forderte auch der Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz die „Schaffung eines systematischen Informationsmanagements, das sich über den gesamten Krankheitsverlauf erstreckt“. Diesem Gedanken folgend, sollte die Informationsvermittlung in einen strukturierten Lernpfad eingebettet werden, der jeweils dem situativen Informations- und Unterstützungsbedarf sowie dem individuellen Kontext gerecht wird (vgl. Entdecken statt suchen: Prototyp für eine nationale Gesundheitsplattform).

        Literatur

        Ajzen I, Fishbein M (1980). Understanding Attitudes and Predicting Social Behavior Englewood Cliffs, NJ.

        Bandura A (1977). Self-efficacy: Toward a Unifying Theory of Behavioral Change. Psychological Review 84 (2). 191–215.

        Becker M H (1974). The Health Belief Model and Personal Health Behavior. Thorofare, NJ.

        Betsch T, Funke J, Plasser H (2011). Denken – Urteilen, Entscheiden, Problemlösen. Berlin.

        Broadbent D E (1958). Perception and Communication. London, New York.

        Kreuter M W, Strecher V J, Glassman B (1999). One size does not fit all. The case for tailoring print materials. Annals of Behavioral Medicine 21. 276–283.

        Noar S M, Benad C N, Harris M S (2007). Does tailoring matter? Meta-analytic review of tailored print health behavior change interventions. Psychol Bull. 133 (4). 673–693.

        Rogers R W (1975). A Protection Motivation Theory of Fear Appeals and Attitude Change. Journal of Psychology 91 (1). 93–114.

        Rosenstock I M (1966). Why people use health services. Milbank Memorial Fund Quarterly 44. 94–127.

        Schaeffer D, Moers M (2009). Schwerpunkt: Bewältigung chronischer Krankheit. Überlebensstrategien – ein Phasenmodell zum Charakter des Bewältigungshandelns chronisch Erkrankter. Pflege & Gesellschaft 13 (1).

        Schaeffer D, Hurrelmann K, Bauer U, Kolpatzik K (Hrsg.) (2018). Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz. Die Gesundheitskompetenz in Deutschland stärken. Berlin.

        Shannon C E, Weaver W (1949). The Mathematical Theory of Communication. Urbana, IL.

        Autor/Autorin

        Dr. Sebastian Schmidt-Kaehler ist als Co-Director mitverantwortlich für das Gesundheitsprogramm der Bertelsmann Stiftung. Zuvor arbeitete er als geschäftsführender Gesellschafter der Patientenprojekte GmbH, einer auf den Bereich der Patientenkommunikation spezialisierten Organisations- und Unternehmensberatung. Von 2011 bis 2015 war Schmidt-Kaehler Bundesgeschäftsführer der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD). Er ist Mitglied im Expertenrat des Nationalen Aktionsplans Gesundheitskompetenz.

        Dr. Inga Münch verantwortet das Projekt „Trusted Health Ecosystems“ der Bertelsmann Stiftung. Zuletzt hat sie in verschiedenen Projekten an den Schnittstellen Patientenzentrierung und digitale Gesundheit gearbeitet. Sie ist Gesundheitswissenschaftlerin und hat zum Konzept gesundheitskompetenter Organisationen promoviert. Zuvor hat sie in der Forschung an wissenschaftlichen Projekten im Bereich Gesundheitsbildung, Patientenorientierung und Gesundheitssystemforschung gearbeitet.

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          Eckpunkte und Prämissen

          Im Zentrum unserer Vision stehen die Patientinnen und Patienten und all jene, die das Gesundheitssystem nutzen. Im Zuge der digitalen Transformation und des biotechnologischen Fortschritts werden sie mit immer mehr Behandlungsoptionen, einem wachsenden Informationsangebot und einer großen Akteursvielfalt konfrontiert. Auch global agierende Tech-Unternehmen drängen mit neuen Gesundheitsplattformen in den Gesundheitsmarkt. Die Zahl der Entscheidungsnotwendigkeiten wächst mit der Komplexität des Systems und neben den Möglichkeiten der Mitwirkung nimmt auch die Eigenverantwortung weiter zu. Das stellt viele Menschen in Zeiten von Social Media und Fake News vor große Herausforderungen, denn gute Entscheidungen erfordern immer auch gute Informationen.

          Zur Förderung der gesundheitlichen Teilhabe entwickeln wir deshalb eine Plattformstrategie für das Gesundheitswesen von morgen. Über die Selektion und Bündelung von Informations- und Serviceangeboten soll die nationale Gesundheitsplattform den Zugang zu vertrauenswürdigen Angeboten erleichtern. Sie soll Patientinnen und Patienten dabei unterstützen, zu informierten Entscheidungen zu gelangen und im Behandlungsgeschehen aktiv und koproduktiv zu handeln. Und sie soll einen digitalen Vertrauensraum schaffen, der Datenschutz, Datensicherheit und die informationelle Selbstbestimmung garantiert und gleichzeitig die Datensolidarität fördert, um die gesundheitliche Versorgung zu verbessern.

          Unsere Vision fußt auf diesen 10 Prämissen und Eckpunkten:

          01
          Vertrauen schaffen

          Das Vertrauen in digitale Systeme und die damit betrauten Institutionen im Gesundheitswesen ist begrenzt. Und das nicht ohne Grund, denn unsere Gesundheitsdaten sind besonders sensibel. Viele Menschen sorgen sich, dass ihre Daten in falsche Hände geraten könnten. Das digitale Ökosystem soll deshalb einen Vertrauensraum schaffen, der in puncto Datensouveränität, Datenschutz und -sicherheit keine Kompromisse macht. Darüber hinaus gilt es, auch den Einsatz algorithmischer Systeme so transparent wie möglich zu gestalten und klare Verantwortlichkeiten für die Auswirkungen dieser Systeme festzulegen.

          Ein zentrales Alleinstellungsmerkmal des hier skizzierten Ökosystems bildet die qualitätsbasierte Auswahl von Informations- und Serviceanbietern und die damit angestrebte Vermeidung von Fehl- und Falschinformationen. Die Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der über die Plattform vermittelten Informationen und Dienste ist somit Teil des Markenkerns und neben der Sicherstellung von Datensouveränität eine wichtige Voraussetzung für den Aufbau von Vertrauen.

          02
          Gesundheitskompetenz stärken

          Der Kernservice des neuen Ökosystems reagiert auf die empirische Befundlage zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Europa. Den Erhebungen zufolge hat über die Hälfte der Menschen erhebliche Schwierigkeiten, relevante Informationen zur eigenen Gesundheit zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und in Gesundheitsverhalten oder Entscheidungen einfließen zu lassen. Die nationale Gesundheitsplattform soll ihre Nutzerinnen und Nutzer effektiv dabei unterstützen, relevante, qualitätsgesicherte und leicht verständliche Informationen zu identifizieren.

          Das Ökosystem soll mit Hilfe von Datenanalysen personalisiert werden, regionale Bezüge herstellen und situative Unterstützungs- und Informationsbedarfe der Nutzerinnen und Nutzer antizipieren. Dabei sollen sich die vorgehaltenen Informationen und Dienste nicht nur auf medizinische Aspekte beziehen, sondern dem ganzen Spektrum an Anforderungen entsprechen, die die Krankheitsbewältigung im Alltag, in der Familie, in Schule, Ausbildung und Arbeitswelt, im Sozial- und Freizeitleben aufwirft.

          03
          Nutzen stiften

          Der Erfolg oder Misserfolg einer Plattform ist eng mit der Größe der Community und ihrer Wachstumsgeschwindigkeit verknüpft. Folglich gilt es, Hürden für eine Beteiligung abzubauen und einen möglichst großen Nutzen für Patientinnen und Patienten zu stiften. Das kann nur gelingen, wenn diese von Beginn an in den Fokus der Produktentwicklung gerückt werden.

          Gleichzeitig muss auch auf Seiten der Anbieter von Informationen und digitalen Services Akzeptanz für das digitale Ökosystem geschaffen werden. Deshalb muss die Plattform auch hier Nutzen und Anreize generieren und dabei die Eigenständigkeit der teilnehmenden Akteure respektieren. Die Herausforderung des Ökosystem-Designs liegt folglich darin, einen für alle Seiten spürbaren Mehrwert zu schaffen.

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          Datensolidarität stärken

          Durch den Betrieb der Plattform entstehen neue Daten, Datenflüsse und Schnittstellen, die nicht nur der Optimierung des eigentlichen Angebots dienen, sondern gleichzeitig wichtige Informationen zur Steuerung der gesundheitlichen Versorgung liefern können. Eine effektive Nutzung dieser Daten kann einen relevanten Beitrag leisten, um die Versorgung zu verbessern und das Gesundheitswesen zu einem lernenden System weiterzuentwickeln.

          Derartige Analysen setzten eine hohe Datendurchlässigkeit zwischen der Versorgungslandschaft, der Forschung und der Systementwicklung voraus. Die nationale Gesundheitsplattform soll an dieser Stelle neue Optionen eröffnen und Einwilligungslösungen bereithalten, um Daten zu teilen und Datensolidarität Wirklichkeit werden zu lassen.

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          Zielgruppen berücksichtigen

          Das Plattformkonzept fokussiert auf die übergeordnete Zielgruppe der Patientinnen und Patienten bzw. auf all jene, die das Gesundheitssystem nutzen. Der Aufbau der Plattform soll sich aber am Zielbild der gesundheitlichen Teilhabe orientieren. Deshalb gilt es, der hohen Diversität der unterschiedlichen Zielgruppen gerecht zu werden und dabei vor allem die vulnerablen Gruppen zu berücksichtigen, die häufig von Krankheit betroffen oder bedroht sind. Hierzu zählen etwa Menschen mit geringen sozio-kulturellen und ökonomischen Ressourcen, Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch Menschen mit chronischer Erkrankung oder Behinderung.

          Um den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen dieser Gruppen gerecht werden zu können, bedarf es neben der Bereitstellung mehrsprachiger Informationszugänge auch des Angebots kultur- und diversitätssensibler Inhalte. Gleichzeitig sollten über personalisierte Angebote Möglichkeiten geschaffen werden, Informationen und Services an individuelle Präferenzen und Kompetenzen anzupassen.

          06
          Kooperativ entwickeln

          Die Produktentwicklung und -gestaltung soll die Nutzerbedürfnisse in den Mittelpunkt rücken, um eine optimale Nutzererfahrung (engl. User Experience, UX) zu erzeugen. Dies bedingt die systematische Erfassung von Bedürfnissen, Fähigkeiten und Wünschen der unterschiedlichen Zielgruppen, etwa über Interviews, Befragungen, Fokusgruppen und Studien. Doch auch im Prozess einer partizipativen Produktentwicklung können potenzielle Nutzerinnen und Nutzer mitwirken und wichtige Impulse für die Gestaltung liefern. Ebenso notwendig sind regelmäßige Nutzertestungen, auf deren Basis beständig Optimierungen vorgenommen werden können.

          Bei der Einbeziehung unterschiedlicher Nutzergruppen ist der jungen Generation ein besonderer Stellenwert beizumessen, denn junge Menschen sind die Nutzer eines digitalen Gesundheitswesens der Zukunft und sollten nicht nur in den Entwicklungsprozess einbezogen werden, sondern Gelegenheit erhalten, auf Augenhöhe aktiv mitzugestalten (Meaningful Youth Engagement).

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          Niemanden zurücklassen

          Trotz aller Bemühungen um ein möglichst nutzerfreundliches und niedrigschwelliges digitales Angebot gilt es, Menschen mit einer geringen Digitalkompetenz oder einem eingeschränkten Zugang zu digitalen Systemen einzuschließen und einer Verstärkung oder gar Entstehung von Ungleichheit (Digital Health Divide) entgegenzuwirken.

          Dies kann nur gelingen, wenn die Grenzen zwischen digitaler und analoger Welt fließend verlaufen: So müssen die Vorteile und Möglichkeiten der nationalen Gesundheitsplattform über eine Einbindung in persönliche Beratungs- und Informationsangebote auch auf anderen Wegen zugänglich gemacht werden – etwa im medizinischen Behandlungskontext, über Patientenlotsen oder institutionelle Angebote wie die Unabhängige Patientenberatung.

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          Trägerschaft institutionalisieren

          Eine nachhaltige Finanzierung und institutionelle Verankerung liefern die Basis für die Implementierung eines digitalen Ökosystems und die damit verbundene Neuordnung der Informationsarchitektur im Gesundheitswesen. Deshalb wird das Ökosystem-Design in ein Modell für eine rechtssichere, handlungsfähige und unabhängige Trägerstruktur eingebettet. Dieses Modell soll unterschiedliche Finanzierungsperspektiven aufzeigen und ein institutionelles Gerüst für den Aufbau, den laufenden Betrieb und die Weiterentwicklung des digitalen Ökosystems entwerfen.

          Die Trägerinstitution sollte bei allen teilnehmenden Akteuren des Ökosystems auf Akzeptanz stoßen und sich gleichzeitig den Interessen der Patientinnen und Patienten verpflichtet fühlen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass staatliche Informationstätigkeit besonderen rechtlichen Anforderungen unterliegt. Gegebenenfalls ist es zudem zweckmäßig, bestimmte Aufgaben innerhalb des Ökosystems durch unterschiedliche Gesellschaften bzw. Organe wahrnehmen zu lassen und das Ökosystem als Dachorganisation auszurichten.

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          Wettbewerb stärken

          In dem hier skizzierten digitalen Ökosystem sollte es nicht zu den Aufgaben des Plattformbetreibers gehören, Informationen und Services selbst zu entwickeln und anzubieten. Stattdessen sollte die Plattform Informations- und Serviceanbietern die Gelegenheit geben, sich in das Ökosystem einzubringen. Dabei ist darauf hinzuwirken, die am Markt tätigen Unternehmen nicht auszuschließen oder zu benachteiligen. Im Gegenteil sollte es erklärtes Ziel sein, die Innovationskraft der europäischen Health-Tech-Wirtschaft für die Plattform zu erschließen.

          Auch in Bezug auf die Datenstrategie soll die nationale Gesundheitsplattform einen entscheidenden Unterschied zu den kommerziellen Anbietern machen, denn sie soll kein exklusives Datenmonopol anstreben. Im Gegenteil könnten Datengrundlagen und Schnittstellen von öffentlich-rechtlichen Institutionen im Rahmen einer Open-Data-Strategie bereitgestellt werden, um einem Verdrängungswettbewerb vorzubeugen.

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          International denken

          Unser Konzept für eine nationale Gesundheitsplattform entwickeln wir prototypisch für das deutsche Gesundheitssystem. Digitale Transformation ist jedoch kein nationales Phänomen und kennt keine Grenzen. Im Gegenteil: Sie führt nationale Gesundheitssysteme in einen globalen Gesundheitsmarkt mit neuen Herausforderungen, die internationale Lösungsstrategien und Zusammenarbeit erfordern.

          Deshalb stimmen wir unsere Plattformstrategie mit internationalen Partnerorganisationen ab, orientieren uns an europäischen Interoperabilitätsstandards und denken die internationale Skalierung unserer Plattformstrategie von Anfang an mit. Langfristig eröffnet sich so die Perspektive einer Verschmelzung nationaler Gesundheitsplattformen zu einem föderierten Plattformökosystem in Europa.

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            Entdecken statt suchen: Prototyp für eine nationale Gesundheitsplattform

            Der Kernservice der hier skizzierten nationalen Gesundheitsplattform besteht darin, personalisierte Informationspfade bereitzustellen, die dem sich wandelnden Informationsbedarf folgen und den Umgang mit Gesundheitsinformationen erheblich erleichtern könnten. Um unsere Idee zu illustrieren, haben wir ein prototypisches Design entwickelt, das zeigt, wie die nationale Gesundheitsplattform einmal aussehen könnte.

            Patientinnen und Patienten nutzen immer häufiger das Internet, um sich jenseits des traditionellen Gesundheitssystems zu informieren. Dabei greifen sie bislang vor allem auf die großen Suchmaschinen zurück. Je nach Begriff zeigen Google & Co. Hunderttausende oder mehr Ergebnisse und es liegt in der Verantwortung der Informationssuchenden, in dieser Flut von Treffern die richtigen auszuwählen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, werden sie in diesem Auswahlprozess nicht nur von objektiven Kriterien geleitet, sondern vor allem von intransparenten algorithmischen Systemen und der eigenen Gefühlswelt.

            Die Logik unserer Produktvision ist eine andere: Patientinnen und Patienten entdecken Informationen, statt danach zu suchen. Das sogenannte Pull-Prinzip der Suchmaschinen weicht dem Push-Prinzip der Messengerdienste und relevante Informationen werden zum passenden Zeitpunkt angeboten. Die Information und Aufklärung im Gesundheitswesen sind kein punktuelles Ereignis mehr, sondern folgen einem strukturierten Prozess und berücksichtigen individuelle Präferenzen sowie Kontextbedingungen der Patientinnen und Patienten (vgl. Informationsvermittlung als Prozess begreifen).

            Vertrauen als Ausgangspunkt

            Anders als die Suche über eine Suchmaschine beginnt der Informationspfad nicht jenseits des Versorgungssystems, sondern in den Sprech- und Behandlungszimmern und überall dort, wo Patientinnen und Patienten personale Unterstützung erfahren. Denn möglicherweise entsteht das Vertrauen in die Plattform gerade nicht online, sondern wo Menschen sich von Angesicht zu Angesicht begegnen. Daher sieht unser Konzept vor, dass die Angehörigen der Gesundheitsberufe einen Informationspfad per SMS-Link oder auch über die elektronische Patientenakte „verordnen“ bzw. empfehlen können.

            Persönlicher Informationsfeed

            Bei der Nutzerauthentifizierung sieht unser Konzept vor, die digitale Gesundheits-ID zu verwenden, die die Krankenkassen ihren Versicherten zur Verfügung stellen. Auf diese Weise werden aufwändige Registrierungsprozesse und unnötige Zugangsschwellen vermieden. Nach erfolgtem Login auf der Plattform öffnet sich eine Benutzeroberfläche, die an die großen sozialen Netzwerke erinnert. Das hat den Vorteil, dass Nutzerinnen und Nutzer sich schnell und unkompliziert zurechtfinden.

            Unseren Prototyp haben wir LIV getauft. Das Akronym steht für „leicht“, „individuell“ und „vertrauenswürdig“. Wir haben eine Variante für mobile Endgeräte und eine Desktop-Variante entworfen. Perspektivisch sind auch eine akustische Schnittstelle und eine Sprachsteuerung des Informationssystems denkbar.

            Wie bei Facebook, LinkedIn und vielen anderen sozialen Netzwerken steht im Mittelpunkt der Oberfläche ein sogenannter „Feed“ mit kachelähnlichen Posts, der sich im Zeitverlauf mit Informationen füllt. Ein großer Unterschied zu den sozialen Netzwerken: Es gehen deutlich weniger Informationen ein, denn Ziel der Plattform ist, die Informationslast zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität der Beiträge zu erhöhen. Die Inhalte werden daher in hohem Maße personalisiert und in Abhängigkeit von verfügbaren Kontextinformationen eingespielt.

            Wenn beispielsweise ein neues Medikament verordnet wurde, wird diese Kontextinformation bei vorliegender Nutzerfreigabe zum Beispiel über die elektronische Patientenakte an die Plattform weitergeleitet. Der Informationspfad zeigt dann in Echtzeit und vollautomatisch die passende Information zu dem Arzneimittel an. Kontextinformationen können aber auch aus vielen anderen Quellen, etwa von der Smartwatch, einem Sprachsystem oder über mobile Sensorik, in das Informationssystem einfließen und Anhaltspunkte für den situativen Informationsbedarf liefern.

            Integrierte Patienteninformation

            Die Informationspfade beziehen sich immer auf eine Erkrankung, werden also indikationsspezifisch angelegt. Der individuelle Zuschnitt des Informationsangebots ermöglicht grundsätzlich auch, unterschiedliche Indikationen zusammenzuführen, um ein integriertes und homogenes Angebot für Menschen mit mehreren Erkrankungen unterbreiten zu können.

            In unserer Produktvision haben wir einen Verlauf am Beispiel der Diagnose „Kniearthrose“ umgesetzt: Die fiktive Nutzerin Katharina Funke erhält zunächst eine Verdachtsdiagnose. Das ist der Beginn eines Weges durch unterschiedliche Instanzen des Gesundheitssystems von der fachärztlichen Diagnostik über die Entscheidung für eine Operation im Krankenhaus sowie die medizinische Rehabilitation bis hin zur beruflichen Wiedereingliederung: Der Informationspfad startet zunächst mit Basisinformationen zur Erkrankung, gefolgt von Informationen zum Versorgungssystem, zu Behandlungsalternativen und sozialrechtlichen Fragestellungen sowie Informationen zur Rehabilitation.

            Präventionspfade

            Das Prinzip der Informationspfade wird in unserer Produktvision am Beispiel der Erkrankung „Kniearthrose“ veranschaulicht. Das Grundprinzip der prozesshaften Informationsvermittlung ließe sich aber problemlos auch auf den Bereich der Prävention übertragen und sogar zielgruppenspezifisch und kultursensibel ausrichten. Auf diese Weise könnten gesunde Verhaltensweisen schrittweise eingeübt und verstärkt werden. Insbesondere vulnerable Gruppen ließen sich ohne Streuverluste zielgenau erreichen.

            Für die Gestaltung des individuellen Angebots greift das System auf die Informationen und Services einer Vielzahl zertifizierter Anbieter zurück und eröffnet den Nutzerinnen und Nutzern auf diese Weise eine breite Auswahl passender Angebote. Insofern ist es wahrscheinlich, dass zu einem Informationsanlass mehrere Angebote in Frage kommen. In einem solchen Fall wird das Angebot angezeigt, das die beste Bewertung von der Nutzercommunity erhalten hat. Über eine Schubladenfunktion lassen sich die übrigen Angebote einsehen und auswählen.

            Neues Wissen anwenden

            Unter den Informationen bietet der Pfad immer auch passende digitale Services an: Wer Informationen zu einem neuen Arzneimittel erhält, kann im nächsten Schritt das digitale Rezept einlösen. Nutzerinnen und Nutzern, die Informationen zu unterschiedlichen Behandlungsoptionen erhalten, wird anschließend ein Zweitmeinungsservice angeboten. Und den Informationen zu gesunder Ernährung folgen digitale Anwendungen mit Kochrezepten und Ernährungsplänen. Diese Verknüpfung von Informationen und Services hilft, neu erworbenes Wissen praktisch umzusetzen oder in Entscheidungen einfließen zu lassen.

            Verknüpfung von Informationen und relevanten Services

            Kein Informationspfad gleicht dem anderen: Die Inhalte folgen dynamisch dem individuellen Bedarf und berücksichtigen neben medizinischen Themen auch rechtliche und psychosoziale Fragestellungen. Das System bietet zudem Informationen an, nach denen Nutzerinnen und Nutzer möglicherweise gar nicht gesucht hätten. So kann beispielsweise noch vor Eintreten des Anspruchs auf Krankengeld proaktiv über die damit verbundenen Rechte und Pflichten informiert werden.

            Die Benutzeroberfläche könnte auch ganz anders aussehen und auch der Kernservice könnte ein anderer sein. Die Produktvision illustriert aber, dass eine nationale Gesundheitsplattform etliche Mehrwerte schaffen könnte, ohne selbst redaktionelle Inhalte zu erstellen. Sie zeigt, dass es möglich wäre, gute Informationen zu bündeln sowie Patientinnen und Patienten im Umgang mit Informationen zu entlasten. Die Qualitätsprüfung der Anbieterseite, die Umkehr des Suchmaschinenprinzips, die Personalisierung von Informationen und die prozessorientierte Vermittlung – all das lässt ein neues Format entstehen, das die Informationsverarbeitung erleichtert, informierte Entscheidungen unterstützt und Vertrauen in digitale Lösungen möglich macht.

            Literatur

            Bol N, Smit ES, Lustria MLA (2020): Tailored health communication: Opportunities and challenges in the digital era. Digital Health, 6, 1-3. (Quelle)

            Kynoch K, Ramis MA, Crowe L, Cabilan CJ, McArdle A. (2019): Information needs and information seeking behaviors of patients and families in acute healthcare settings: a scoping review. JBI Database System Rev Implement Rep, 17(6): 1130-1153. (Quelle)

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