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Staatliches Informationshandeln: Was darf der Staat?

Prof. Dr. Laura Schulte

Bei der Entwicklung eines Trägermodells für eine nationale Gesundheitsplattform liegt es zunächst nahe, den Aufbau und Betrieb in einem öffentlich-rechtlichen Kontext zu verorten. Staatliches Informationshandeln – verstanden als jede Form der Kommunikation von Informationen, Warnungen oder Empfehlungen – unterliegt jedoch besonderen rechtlichen Anforderungen. Im Folgenden gehen wir der Frage nach, inwieweit überhaupt von staatlicher Seite Informationen zur Verfügung gestellt werden können und unter welchen Bedingungen es möglich bzw. ratsam ist, eine nationale Gesundheitsplattform als staatliches Informationsangebot zu betreiben.

Herausforderung

Staatliches Handeln basiert auf der Ausgangsannahme, dass insbesondere grundrechtsrelevante Aktivitäten einer rechtlichen Grundlage bedürfen, die nachträglich von den Gerichten überprüft werden kann. Verankert ist diese Annahme im Rechtsstaatsprinzip einem zentralen Element unserer Verfassung. Durch Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz wird insoweit unter anderem bestimmt, dass „die vollziehende Gewalt … an Gesetz und Recht gebunden“ ist. Für jede staatliche Aktivität, die sich auf die Grundrechtspositionen Dritter auswirken kann, ist daher zu prüfen, auf welcher Rechtsgrundlage sie sich entfaltet.

Die Bereitstellung von Informationen durch eine staatliche Stelle ist als eine Form „staatlichen Handelns“ zu bewerten, da die Aktivität auf die Information der Bevölkerung gerichtet ist. Als Mindestvoraussetzung ist daher aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten, dass die staatliche Stelle zumindest im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben handelt. Die Information der Öffentlichkeit kann insoweit grundsätzlich als Annex der Aufgabenwahrnehmung legitimiert werden (Schoch, NVwZ 2011). Eine allgemeine Aufgabenzuweisung zum Aufbau und Betrieb eines staatlichen Informationsangebots genügt jedoch nicht, um die geplante Plattform rechtlich abzusichern.

Hintergrund

Offensichtlich legitimationsbedürftig sind Eingriffe durch staatliches Informationshandeln beispielsweise bei staatlichen Warnungen im Kontext von Verbraucherinformationen (Voßkuhle und Kaiser, JuS 2018): Sie sind meist gegen ein bestimmtes Produkt bzw. einen bestimmten Anbieter gerichtet, sodass ein Eingriff in die jeweilige unternehmerische Tätigkeit der Hersteller bzw. Anbieter der betroffenen Produkte oder Leistungen erfolgt. Betroffene Unternehmen können sich in diesem Fall auf ihre Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 GG und den Schutz ihres Unternehmerpersönlichkeitsrechts berufen.

Dogmatisch liegt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts beim staatlichen Informationshandeln zwar kein Eingriff im klassischen Sinne vor, der durch einen Rechtsakt erfolgt; die Wirkung des Informationshandelns kommt einem klassischen Eingriff allerdings sehr nahe, sodass von einer eingriffsgleichen Maßnahme auszugehen ist (Voßkuhle und Kaiser, JuS 2018).

Nach den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts ist für staatliches Informationshandeln zu prüfen, ob hierdurch der Wettbewerb verzerrt wird.

„Bei umfangreicheren Informationssammlungen staatlicher Stellen ist auch zu berücksichtigen, inwieweit der staatliche Anbieter mit privatwirtschaftlichen Angeboten in einen Wettbewerb tritt.“

Prof. Dr. Laura Schulte

Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang Voraussetzungen herausgearbeitet, die für die Rechtmäßigkeit staatlichen Informationshandelns mindestens erfüllt sein müssen: Demnach muss (1) eine staatliche Aufgabe vorliegen und (2) die Zuständigkeitsordnung bei Erfüllung dieser Aufgabe eingehalten werden; außerdem müssten die Informationen (3) sachlich gehalten und inhaltlich richtig sowie die Informationstätigkeit insgesamt verhältnismäßig (4) sein.

Eine Betroffenheit im Sinne eines Grundrechtseingriffs kann jedoch nicht nur vorliegen, wenn eine Warnung vor Produkten oder Leistungen erfolgt. Bei umfangreicheren Informationssammlungen staatlicher Stellen ist auch zu berücksichtigen, inwieweit der staatliche Anbieter mit privatwirtschaftlichen Angeboten in einen Wettbewerb tritt: Betätigt sich der Staat wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen, so sind auch alle für privatwirtschaftliche Anbieter geltenden Vorgaben einzuhalten. Das gilt insbesondere für wettbewerbs- und kartellrechtliche Regelungen.

Doch auch wenn staatliche Stellen all diese Anforderungen erfüllen, können sich dennoch Verzerrungen am Markt ergeben, weil der Staat häufig über ganz andere Möglichkeiten zur öffentlichen Positionierung verfügt und bei der Finanzierung auf öffentliche Mittel zurückgreifen kann. So werden den Informationen von staatlicher Stelle oft eine höhere Relevanz und Glaubwürdigkeit zugeschrieben, als dies bei Informationsangeboten Dritter der Fall ist. Insofern ist bei einer privatwirtschaftlichen Betätigung staatlicher Stellen generell zu prüfen, inwieweit hierfür eine Rechtfertigung vorliegt und Wettbewerbsverzerrungen ausgeschlossen werden können. Hier ist auch von Bedeutung, ob Fremdinhalte verwendet oder eigene Inhalte vermittelt werden (vgl. hierzu auch Redaktionelle Erstellung vs. Brokering).

Fazit

In Abwägung der bisherigen Ausführungen und unter Berücksichtigung der Zielsetzung einer möglichst rechtssicheren Trägerschaft wäre der Betrieb einer nationalen Gesundheitsplattform in staatlicher Hand insgesamt kritisch zu bewerten. Zwar stehen Produktwarnungen oder andere direkte Benachteiligungen von Akteuren nicht im Fokus des Vorhabens, doch sonstige Anbieter digitaler Gesundheitsinformationen und -services könnten zumindest mittelbar beeinflusst werden.

Vorzugswürdig erscheint daher ein Strukturansatz, bei dem Informationen nicht unmittelbar von einer staatlichen Stelle bereitgestellt werden. Allerdings bedeutet eine (Teil-)Finanzierung aus öffentlichen Mitteln nicht zwangsläufig, dass auch die Trägerschaft einer nationalen Gesundheitsplattform in staatlicher Hand liegen muss. Stattdessen könnte ein offenes Struktur- und Trägermodell in zivilgesellschaftlicher Hand als „Drehscheibe“ für Informationen dienen und Ausgangspunkt weiterer Angebote sein.

Um eine unangemessene Einschränkung der Handlungsspielräume privatwirtschaftlicher Akteure zu vermeiden, ist eine staatsferne Trägerschaft zu präferieren. Gleichzeitig ist darauf hinzuwirken, die am Markt tätigen Unternehmen nicht auszuschließen oder zu benachteiligen.

(Beitrag veröffentlicht am 27.09.2023. Die hier getroffenen Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die Rechtslage in Deutschland. Sie stellen einen Leitfaden und keine individuelle Rechtsberatung dar, die über das Projekt “Trusted Health Ecosystems” hinausgeht.)

Literatur

Schoch, NVwZ 2011, 193 (196) unter Verweis auf OVG Hamburg, NVwZ-RR 2008, 241.

Voßkuhle und Kaiser, JuS 2018, 343 (344) unter Verweis auf BVerfG, NJW 2002, 2621 – Glykolwein

Autorin

Prof. Dr. Laura Schulte arbeitete während ihrer Promotion an einem Lehrstuhl für Verfassungsrecht als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie promovierte zu einem datenschutzrechtlichen Thema und forschte hierzu unter anderem auch an der Queen Mary School of Law in London. Von 2020 bis 2023 war sie als Rechtsanwältin in der Kanzlei BRANDI-Rechtsanwälte am Standort Bielefeld und dort im Fachbereich IT- und Datenschutzrecht tätig. Seit August 2023 ist sie Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Bielefeld.

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