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Redaktionelle Erstellung vs. Brokering: Woher kommen die Inhalte?

Prof. Dr. Laura Schulte

Die im Projekt „Trusted Health Ecosystems“ skizzierte Vision einer nationalen Gesundheitsplattform wirft die Frage nach der Herkunft der dort angebotenen Inhalte und Dienste auf. Ein bedarfsgerechtes Angebot stellt hohe Anforderungen an die Vielfalt und den Umfang der Informationen und Dienste, denen ein Anbieter allein kaum gerecht werden kann. Die Inhalte müssen jedoch nicht zwangsläufig vom Plattformbetreiber selbst bereitgestellt werden. Die folgenden Überlegungen gehen der Frage nach, ob der Plattformbetreiber eigene Informationen erstellen oder sich eher auf die Vermittlung von Fremdinformationen beschränken sollte.

Herausforderung

Mit der Verbreitung von Informationen gehen bestimmte rechtliche Anforderungen einher, die sich ganz grundsätzlich danach unterscheiden, wem die Inhalte zuzuordnen sind. Die Frage der Zuordnung beurteilt sich im Wesentlichen danach, welcher Eindruck hinsichtlich der Urheberschaft bzw. der Verantwortung für Inhalte bei den Nutzerinnen und Nutzern eines Informationsangebots erweckt wird. Die in diesem Kontext relevanten rechtlichen Anforderungen können von präventiven Prüfpflichten hinsichtlich der Richtigkeit der Inhalte, der Erlaubniseinholung bei fremden Inhalten, der Anbieterkennzeichnungspflichten bis hin zur Löschung von rechtswidrigen Inhalten reichen.

Für die Mehrheit aller Informationsangebote wird davon ausgegangen, dass bei Bereitstellung fremder Informationen eine Prüfpflicht hinsichtlich deren Richtigkeit und Rechtmäßigkeit im Vorfeld nicht besteht, dann aber bei Hinweisen auf mögliche Rechtsverletzungen eine Prüfpflicht ausgelöst wird. Anders ist die Situation zu bewerten, wenn der Anbieter sich fremde Inhalte zu eigen macht. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Eindruck erweckt wird, der Anbieter habe die Informationen selbst überprüft oder sehe sie selbst auf anderer Grundlage als richtig an.

Neben diesen haftungsrechtlichen Überlegungen hat die Abwägung zwischen der Erstellung eigener Informationen und dem Rückgriff auf die Informations- und Serviceangebote Dritter auch Implikationen für die rechtssichere Positionierung der angedachten nationalen Gesundheitsplattform. So ist zu bedenken, dass die Entscheidung für die Erstellung eigener Inhalte durch einen überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanzierten Betreiber Auswirkungen auf die Handlungsspielräume privatwirtschaftlicher Akteure haben und die am Markt tätigen Unternehmen benachteiligen könnte. Staatliches Informationshandeln steht immer unter der einschränkenden Voraussetzung, dass – neben weiteren Bedingungen – insoweit eine staatliche Aufgabe erfüllt werden muss (s. a. Staatliches Informationshandeln).

Die Verteilung von qualitätsgeprüften, gesundheitsrelevanten Informationen liegt zwar im Interesse gesundheitlicher Aufklärung und damit auch im Interesse staatlicher Gesundheitspolitik. Ein allgemeiner staatlicher Auftrag bzw. eine gesetzliche oder gar verfassungsrechtliche Aufgabenzuweisung, aus der sich explizit der Betrieb einer nationalen Drehscheibe für Informationen ergibt, besteht allerdings (noch) nicht.

Hintergrund

Unabhängig von einer urheberrechtlichen Zuordnung von Informationen stellt sich zunächst die Frage, wer im Außenverhältnis als verantwortlicher Anbieter eines Informationsangebots anzusehen ist. Dies kann auch eine juristische Person sein, die sich die Informationen beschafft hat, beispielsweise über eine Lizenzvereinbarung oder eine sonstige Bereitstellung durch Dritte.

Rechtlich sind online verfügbare Informationsangebote als Telemediendienste zu qualifizieren und fallen damit unter die Regulierung nach dem Telemediengesetz (TMG). Für alle Telemedien ist vorgegeben, dass ein Anbieter im Rahmen der Impressumspflicht gem. § 5 TMG zu benennen ist. Soweit ein Telemediendienst darüber hinaus journalistische oder redaktionelle Inhalte bereitstellt, muss zugleich auch eine rechtlich für den Inhalt – im Gegensatz zu der Informationsplattform an sich – verantwortliche Person benannt werden.

Diese Transparenzpflichten dienen dazu, im Falle rechtlicher Auseinandersetzungen eine Einrichtung bzw. eine Person zu nennen, gegenüber der die Ansprüche geltend gemacht werden können. Die Anbietereigenschaft besagt dabei aber nicht zwingend, dass alle Informationen oder sonstigen Inhalte wirklich von diesem Anbieter stammen müssen. Sie ist zunächst nur eine formale Zuordnung, damit für jedes Telemedienangebot immer eine klare Festlegung der Verantwortlichkeit erfolgt. Es ist also zu differenzieren nach der Verantwortung für eine technische Plattform einerseits und die auf der Plattform verbreiteten Inhalte andererseits. Zwar kann für beides ein und dieselbe Stelle im rechtlichen Sinne verantwortlich sein, doch dies muss nicht zwingend der Fall sein.

Anbieter im Sinne des Telemediengesetzes können damit auch solche Einrichtungen bzw. Personen sein, die selbst keinen inhaltlichen Einfluss auf die Informationen genommen haben und diese nur als fremde Informationen bereitstellen. Der Anbieter ist also erster Ansprechpartner für eigene und für fremde Inhalte, allerdings ergeben sich im Weiteren Unterschiede bei der Verantwortlichkeit, etwa der Geltendmachung von Beseitigungs- und/oder Schadensersatzansprüchen im Falle der Veröffentlichung rechtswidriger oder falscher Inhalte.

Im Grundsatz muss primär die Stelle, von der die Inhalte stammen, Verantwortung für diese übernehmen, etwa der Autor oder die Autorin eines Textes bzw. die Stelle, die eine Studie oder Grafik entwickelt und verbreitet. Der Betreiber eines Informationsangebots muss aus juristischer Perspektive selbst unmittelbar keine Verantwortung für fremde Inhalte übernehmen. Vielmehr findet im ersten Schritt lediglich eine Haftung für eigene, aber nicht für fremde Inhalte statt.

In rechtlicher Hinsicht kommt es für die Abgrenzung von eigenen und fremden Inhalten darauf an, von wem die Inhalte jeweils erkennbar stammen. Hierbei ist allerdings nicht die Urheberschaft relevant; maßgeblich ist vielmehr die Wahrnehmung der Nutzerinnen und Nutzer. Folgt keine oder keine eindeutige Abgrenzung bei einem Informationsangebot, geht der Nutzer im Regelfall davon aus, dass alle Informationen entweder von dem Anbieter der Plattform stammen oder der Anbieter sich zumindest fremde Inhalte zu eigen macht.

Nur wenn für Nutzer erkennbar ist, dass die abrufbaren Inhalte nicht von dem Anbieter stammen und dieser sich auch nicht mit den Inhalten in dem Sinne identifiziert, dass er erkennbar Verantwortung für diese übernehmen möchte, handelt es sich um fremde Angebote. Ein Verweis auf die Fremdheit ist dabei etwa in der Form möglich, dass für die einzelnen Inhalte transparent auf einen anderen Ansprechpartner oder eine externe Quelle verwiesen wird.

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass privat- bzw. zivilgesellschaftliche Akteure durchaus in der Lage sind, entsprechende Informationen selbst zu generieren und zu verteilen. Vor diesem Hintergrund erscheint es empfehlenswert, im Rahmen der nationalen Gesundheitsplattform unter Berücksichtigung sowohl staatlicher wie auch privatwirtschaftlicher bzw. zivilgesellschaftlicher Potenziale gesundheitsrelevante Informationen, die grundsätzlich von Fremdanbietern bereitgestellt werden, einer möglichst breiten Öffentlichkeit niederschwellig zugänglich zu machen. Im Ergebnis sollten von dem Betreiber der Plattform keine eigenen Inhalte erstellt und verteilt werden.

„Die nationale Gesundheitsplattform sollte sich auf die Bündelung und Komposition von Fremdinhalten beschränken.“

Prof. Dr. Laura Schulte

Unter praktischen Gesichtspunkten ist zu überlegen, wie Dritte motiviert werden können, ihre Inhalte der Plattform zur weiteren Verteilung zur Verfügung zu stellen. Es ist davon auszugehen, dass die Bereitstellung von Informationen durch Dritte für diese vor allem dann attraktiv ist, wenn ein hochwertiges Umfeld geboten wird und die Zulieferer von Informationen als Quelle angegeben werden.

Wichtig erscheint zudem eine klare Definition von Vorgaben, welche Inhalte aufgenommen werden und wie mit diesen generell verfahren wird, etwa wie die Darstellung der Informationen erfolgen soll und in welchen Abständen diese ggf. zu aktualisieren sind. In einem solchen Umfeld ist es dann auch denkbar, dass mehrere gleichwertige Angebote bzw. Informationen angeboten werden, um den Nutzerinnen und Nutzern eine möglichst umfangreiche und neutrale Auswahl zu bieten.

Fazit

Unabhängig von den rechtlichen Aspekten ist es vor allem eine strategische Entscheidung, ob Informationen als eigene Informationen übernommen und angeboten werden sollen. Die Bereitstellung eigener Informationen ist in der Regel mit größerem Aufwand verbunden, sei es für die Erstellung entsprechender Inhalte oder deren Beschaffung. Bei Fremdinhalten ist der Aufwand geringer, dafür entsteht ein Koordinierungs- und Abstimmungsaufwand. Hier muss außerdem sichergestellt werden, dass das gewünschte Qualitätsniveau erreicht wird.

Im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Aspekte wäre ein marktoffenes Angebot von Fremdinhalten gegenüber dem Zu-eigen-Machen oder der Erstellung eigener Inhalte vorzuziehen, um einen möglichen Eingriff in die Grundrechte von Informationsanbietern zu vermeiden (vgl. Staatliches Informationshandeln). Die nationale Gesundheitsplattform sollte sich insofern auf die Bündelung und Komposition von Fremdinhalten beschränken und von einer routinemäßigen Prüfung einzelner Inhalte ebenso absehen wie von einer inhaltlich-redaktionellen Bearbeitung sowie der Einräumung umfassender Nutzungs- und Verwertungsrechte zugunsten des Plattformbetreibers.

Tatsacheninformation oder Werturteil?

Die Verantwortlichkeit für redaktionelle Inhalte hängt unter anderem von deren Einordnung als Tatsacheninformation oder Werturteil ab – wobei beide Kategorien für die nationale Gesundheitsplattform grundsätzlich denkbar sind. Eine Tatsacheninformation ist objektiv richtig oder falsch, daher trägt der Anbieter das Risiko der Verbreitung von Informationen, die sachlich unrichtig sind. An der Verbreitung falscher Informationen besteht kein schutzwürdiges Interesse, sodass diese spätestens nach Beanstandung immer zu löschen bzw. zu korrigieren sind. Bei Werturteilen scheidet eine objektive Bewertung aus: Eine Meinung kann zwar mehr oder weniger gut nachvollziehbar sein, aber nicht in Dimensionen wie „wahr“ oder „falsch“ bewertet werden. Vor diesem Hintergrund gibt es einen größeren Ermessensspielraum des Anbieters einer Informationsplattform.

Schwierig wird die Abgrenzung bei Mischformen, insbesondere bei Meinungsäußerungen mit Tatsachenkern. In dieser Gestaltung liegt an sich eine Meinung vor, die aber auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage basiert. Stellt sich die Tatsachengrundlage als falsch heraus, wirkt sich dies auch auf das abgeleitete Werturteil ab. Jeder Anbieter von Informationsangeboten muss daher sorgsam überwachen, welche Arten von Informationen über seine Plattform veröffentlicht werden und wie diese geprüft werden müssen bzw. was bei Beanstandungen zu veranlassen ist (Hofmann, 2022: 780ff.)).

Bei der Bereitstellung von Informationen für die Öffentlichkeit besteht generell das Risiko, dass einzelne Informationen sich später als falsch bzw. irreführend herausstellen. Diese Situation kann sich sowohl bei solchen Informationen ergeben, die selbst erarbeitet wurden, als auch bei Informationen, die von dritter Seite stammen und von dem Anbieter übernommen wurden. Sowohl für eigene als auch für fremde Angebote lassen sich Vorkehrungen treffen, um das verbleibende Restrisiko zu reduzieren und möglichst beherrschbar zu gestalten.

(Beitrag veröffentlicht am 27.09.2023. Die hier getroffenen Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die Rechtslage in Deutschland. Sie stellen einen Leitfaden und keine individuelle Rechtsberatung dar, die über das Projekt „Trusted Health Ecosystems“ hinausgeht.)

Literatur

Hofmann F (2022). Lauterkeitsrechtliche Haftung von Online-Plattformen. Die neuen Transparenzvorgaben im UWG 2022 im Kontext lauterkeitsrechtlicher Plattformregulierung. in: GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 124. Jahrgang, 2. Juni 2022 (11/2022), S. 780 ff.

Autorin

Laura Schulte arbeitete während ihrer Promotion an einem Lehrstuhl für Verfassungsrecht als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie promovierte zu einem datenschutzrechtlichen Thema und forschte hierzu unter anderem auch an der Queen Mary School of Law in London. Von 2020 bis 2023 war sie als Rechtsanwältin in der Kanzlei BRANDI-Rechtsanwälte am Standort Bielefeld und dort im Fachbereich IT- und Datenschutzrecht tätig. Seit August 2023 ist sie Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Bielefeld.

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Trägerschaft: Staatlich oder privat organisiert?

Für eine nationale Gesundheitsplattform ist es essenziell, eine rechtliche Struktur zu finden, die den daran geknüpften Anforderungen gerecht wird und die Zwecke des umgebenden Ökosystems bestmöglich unterstützt. Hinsichtlich der Trägerschaft des Ökosystems stehen grundsätzlich unterschiedliche Optionen zur Verfügung, die wiederum verschiedene Vor- und Nachteile bergen. So stellt sich zunächst die Frage, ob es sich beim Plattformbetreiber um eine staatliche Institution oder einen privatwirtschaftlichen Akteur handeln sollte. 

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    Trägerschaft: Staatlich oder privat organisiert?

    Prof. Dr. Laura Schulte

    Für eine nationale Gesundheitsplattform ist es essenziell, eine rechtliche Struktur zu finden, die den daran geknüpften Anforderungen gerecht wird und die Zwecke des umgebenden Ökosystems bestmöglich unterstützt. Hinsichtlich der Trägerschaft des Ökosystems stehen grundsätzlich unterschiedliche Optionen zur Verfügung, die wiederum verschiedene Vor- und Nachteile bergen. So stellt sich zunächst die Frage, ob es sich beim Plattformbetreiber um eine staatliche Institution oder einen privatwirtschaftlichen Akteur handeln sollte. 

    Herausforderung

    Die Aufgaben und Angebote einer nationalen Gesundheitsplattform sind vielgestaltig angelegt und das dahinterstehende Ökosystem soll künftig in der Lage sein, derzeit noch nicht identifizierte Aufgaben flexibel zu adressieren. Daher stellt die Beantwortung der Frage nach der optimalen rechtlichen Organisationsform für das Ökosystem eine komplexe Herausforderung dar. Folgende Aspekte sind dabei zu berücksichtigen:

    Anforderungen

    Gemeinwohlorientiertheit

    Das Ökosystem soll grundsätzlich nicht gewinnwirtschaftlich, sondern gemeinnützig orientiert sein. Etwaige Einnahmen, die im Rahmen des Ökosystems erwirtschaftet werden, sollen zu dessen Aus- bzw. Aufbau genutzt werden.

    Flexibilität

    Das Ökosystem soll in der Lage sein, derzeit noch nicht definierte Aufgaben wahrnehmen zu können, und sollte daher entwicklungsoffen sein. Außerdem sollen sowohl staatliche als auch nicht staatliche Stellen im Ökosystem zusammenwirken können.

     

    Transparenz

    Vor allem soweit das Ökosystem einen gesetzlichen bzw. öffentlichen Auftrag erfüllt, müssen seine Handlungen und Entscheidungen sowie seine Finanzierung für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sein

    Hinsichtlich der passenden Organisationsform für das Ökosystem lassen sich unter Berücksichtigung der genannten Zielsetzungen mindestens zwei zentrale Fragen stellen:

    1. Soll für das Ökosystem auf eine bereits vorhandene rechtliche Struktur zurückgegriffen oder sollte eine völlig neue rechtliche Struktur geschaffen werden?
    2. Soll die rechtliche Struktur des Ökosystems öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich geprägt sein?

    Prinzipiell besteht zwar die Möglichkeit, eine bereits existierende rechtliche Struktur für den Aufbau und den Betrieb sowie die Weiterentwicklung des Ökosystems zu nutzen. Aufgrund des innovativen Charakters und der vielgestaltigen Funktionen, die das Ökosystem künftig abbilden soll, bietet es sich jedoch eher an, eine bzw. mehrere völlig neue rechtliche Strukturen zu schaffen.

    Grundsätzlich kommen hierfür sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Rechtsformen in Betracht. Öffentlich-rechtliche Rechtsformen, wie z. B. die Anstalt des Öffentlichen Rechts, sind zwar einerseits in bestimmter Weise privilegiert, etwa was ihre Finanzierung betrifft, andererseits unterliegen sie – etwa hinsichtlich der Transparenz ihrer Entscheidungsfindung – partiell strengeren rechtlichen Verpflichtungen als Unternehmen mit privatrechtlichen Rechtsformen. Auch die Integration privater Akteure ist in öffentlich-rechtlich geprägten Strukturen nur ausnahmsweise möglich, und damit ist das Ziel eines möglichst inklusiven Ökosystems ggf. schwieriger umsetzbar. Bei Einrichtungen mit einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform steht in der Regel die Verwirklichung eines öffentlichen und ggf. sogar eines gemeinwohlorientierten Zwecks im Fokus – im Gegensatz zu primären gewinnwirtschaftlich orientierten Unternehmungen.

    Ganz grundsätzlich lässt sich bei den zur Verfügung stehenden Rechtsformen – losgelöst von der Frage, ob die Struktur des Ökosystems privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich geprägt sein soll – zwischen solchen mit und solchen ohne eigener Rechtspersönlichkeit unterscheiden. Zu den Rechtsformen ohne eigene Rechtspersönlichkeit zählen etwa Personengesellschaften sowie sog. Regiebetriebe der öffentlichen Verwaltung. Aufgrund des Aufgabenzuschnitts ist die Möglichkeit, selbstständig rechtlich relevante Handlungen vorzunehmen, etwa Verträge mit Dienstleistern abzuschließen, derart wichtig, dass unselbstständige Rechtsformen von vornherein für das Ökosystem ausscheiden dürften. Körperschaften sind demgegenüber selbstständige juristische Personen und können entsprechend selbst Trägerinnen von Rechten und Pflichten sein. Diese sog. Rechtsfähigkeit dürfte für das Ökosystem zur unabdingbaren Voraussetzung gehören.

    Hintergrund

    Ganz grundsätzlich lassen sich zwei Formen rechtlicher Zusammenschlüsse unterscheiden: einerseits Personengesellschaften – z. B. die Gesellschaft bürgerlichen Rechts – und andererseits Körperschaften – z. B. der rechtsfähige Verein, die Aktiengesellschaft oder die Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

    Personengesellschaften sind regelmäßig nicht in vollem Umfang rechtsfähig, können also nur eingeschränkt Rechte und Pflichten erwerben und ausüben. Außerdem sind sie im Kern auf die hinter der jeweiligen Gesellschaft stehenden natürlichen Personen ausgerichtet. Letzteres erschwert tendenziell den Ein- und Austritt von Akteuren. Angesichts der übergeordneten Zielrichtung der nationalen Gesundheitsplattform kann davon ausgegangen werden, dass Personengesellschaften als Organisationsform grundsätzlich nicht geeignet sind.

    Körperschaften sind auf Dauer angelegte Zusammenschlüsse von Personen zur Erreichung eines überindividuellen Zwecks. Diese sind – im Gegensatz zu Personengesellschaften – in ihrem Bestand unabhängig vom Wechsel einzelner Mitglieder. Die meisten Körperschaften sind juristische Personen, dies bedeutet, sie können selbst Trägerinnen von Rechten und Pflichten sein, also beispielsweise Verträge abschließen. Körperschaften existieren sowohl auf privatrechtlicher als auch auf öffentlich-rechtlicher Grundlage.

    Körperschaften des öffentlichen Rechts sind durch staatliche Hoheitsakte geschaffene Vereinigungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Träger der Körperschaften sind deren Mitglieder, die wesentlichen Einfluss auf die Willensbildung haben. Die Mitgliedschaft kann freiwillig begründet, teilweise aber auch gesetzlich verpflichtend sein.

    Die Organisationsformen des öffentlichen Rechts stehen allerdings nicht allen Menschen zur Verfügung – sie dienen vielmehr exklusiv der Erfüllung öffentlicher Aufgaben bzw. gesetzlicher Aufträge. Entsprechend verfügen Körperschaften des öffentlichen Rechts über gewisse Sonderbefugnisse und Privilegien; insbesondere können sie im Rahmen ihres jeweiligen gesetzlichen Auftrags selbst öffentliche Gewalt ausüben.

    Die Kehrseite dieser Privilegierung ist in praktischer Hinsicht ein relativ geringes Maß an Flexibilität. Als staatliche bzw. staatsnahe Einrichtungen besteht etwa eine unmittelbare Bindung an Grundrechte. Körperschaften des öffentlichen Rechts haben regelmäßig eine gesetzliche Grundlage. Änderungen in ihrer Ausrichtung bzw. in ihren Kompetenzen und Aufgaben bedürfen entsprechend ggf. einer Anpassung ihrer gesetzlichen Grundlage.

    Anstalten des öffentlichen Rechts stellen Zusammenfassungen sachlicher (z. B. Gebäude, Ausstattung) und persönlicher Mittel (Personal) dar, mit dem Zweck, eine öffentliche Einrichtung zu betreiben. Sie sind juristische Personen, denen Aufgaben per Gesetz oder Satzung zugewiesen wurden und die mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben betraut sind. In der Regel werden die Anstalten bzw. deren Leistungen den Bürgerinnen und Bürgern zur Benutzung zur Verfügung gestellt. Beispiele für Anstalten des öffentlichen Rechts sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, Universitäten und Sparkassen. Anstalten des öffentlichen Rechts besitzen eine eigene Rechtspersönlichkeit, welche ihnen eine unabhängige Erfüllung ihrer Tätigkeiten ermöglicht.

    Stiftungen können sowohl privatrechtlich als auch öffentlich-rechtlich organisiert sein. Insgesamt ermöglichen sie eine Verwaltung von Vermögen zugunsten bestimmter Zwecke. Öffentlich-rechtliche Stiftungen werden in der Regel vom Staat durch Gesetz oder Rechtsverordnung errichtet. Dies macht ihre Entstehung und anschließende Entwicklung verhältnismäßig bürokratisch. Auch die Integration privatwirtschaftlicher Akteure ist relativ schwierig. Diese können zwar durch eine Stiftung finanziert, aber nur bedingt in deren Entscheidungsprozesse integriert werden. Eine öffentlich-rechtliche Stiftung ist in finanzieller Hinsicht von öffentlichen Haushalten bzw. Zuwendungen abhängig. Dies bedeutet praktisch, dass eine dauerhafte Finanzierung und damit Arbeit einer öffentlich-rechtlichen Stiftung nur schwer gesichert werden kann und sich im Ergebnis an der jeweiligen Haushaltslage orientieren dürfte.

    „Eine juristische Person des Privatrechts bietet für die Betreiberrolle Flexibilität und ermöglicht das Zusammenwirken privater und staatlicher Akteure.“

    Prof. Dr. Laura Schulte

    Öffentlich-rechtliche Organisationsformen sind damit im Ergebnis oft wenig wandlungsfähig und kommen daher als Betreiber einer nationalen Gesundheitsplattform nur bedingt in Frage. Ihre Grundlage findet sich regelmäßig in einem Gesetz, sodass ein Aufgaben- bzw. Kompetenzzuwachs ggf. mit einer (zeitaufwendigen) Gesetzesänderung verbunden sein dürfte. Weiterhin sind sämtliche öffentlich-rechtlichen Organisationsformen unmittelbar an Grundrechte gebunden.

    Aus der Grundrechtsbindung lassen sich partiell auch Teilhaberechte Dritter ableiten, etwa von Dienstleistern aus dem Gesundheitssektor. Weiterhin bestehen für wettbewerbsrelevantes Handeln staatlicher Stellen bestimmte Vorgaben, die in Teilen strenger sein können als die Vorgaben, die für nicht staatliche Akteure gelten (s. a. Staatliches Informationshandeln). Schließlich können auch privatrechtliche Akteure nicht ohne Weiteres in öffentlich-rechtliche Organisationsformen integriert werden.

    Staatliche Akteure – also Bund, Länder und Kommunen sowie deren einzelne Untergliederungen – haben allerdings auch die Möglichkeit, sich der Organisationsformen des Privatrechts zu bedienen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass aus der Beteiligung staatlicher Stellen an dem Ökosystem nicht zwingend die Wahl einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform folgt. Zu den privatrechtlichen Organisationsformen, die als Trägermodell für das Ökosystem in Frage kommen, zählen vor allem der Verein, die GmbH sowie die AG.

    Übersicht – Rechtsformen des Privatrechts

    Der Verein

    Unter Verein versteht man einen freiwilligen und auf Dauer angelegten Zusammenschluss mehrerer Personen zur Verfolgung eines Zwecks. In einem Verein können grundsätzlich sowohl staatliche als auch private bzw. privatwirtschaftliche Akteure zusammenwirken.

    Bei Vereinen lässt sich die Haftung gegenüber Dritten nur bedingt beschränken; insbesondere ist in diesem Kontext die grundsätzlich persönliche Haftung des Vorstandes (mit seinem gesamten Privatvermögen) gegenüber Dritten zu berücksichtigen, wenn und soweit der Verein für Schäden bei Dritten verantwortlich sein sollte. Die Frage der Finanzierung des Ökosystems in Form eines Vereins wirft außerdem gewisse Herausforderungen auf; vor allem dürften Mitgliedsbeiträge in der Regel nicht ausreichen, um das Projekt – vor allem in seiner Anfangsphase – kontinuierlich mit hinreichenden finanziellen Mitteln zu versorgen.

    Die GmbH

    Eine GmbH ist eine rechtsfähige, durch Organe handelnde Gesellschaft, bei der den Gläubigern im Grundsatz nur das Vermögen der Gesellschaft haftet. Gesellschafter einer GmbH können natürliche wie auch juristische Personen sein. Die jeweiligen Gesellschafter sind durch einen Geschäftsanteil an diesem Vermögen beteiligt, übernehmen durch ihre Beteiligung an der Gesellschaft allerdings keine persönliche Haftung.

    Die gemeinnützige GmbH

    Die gemeinnützige GmbH ist eine Sonderform der GmbH. Die gemeinnützige GmbH kombiniert die wirtschaftlichen Vorteile und Rahmenbedingungen der GmbH mit den steuerlichen Vorteilen des Gemeinnützigkeitsrechts. Das macht die Rechtsform für den sozialen Bereich attraktiv. Allerdings dürfen die Erträge, die das Unternehmen erwirtschaftet, nur für die Verwirklichung des gemeinnützigen Zwecks verwendet werden.

    Die AG

    Die Aktiengesellschaft vereint typischerweise eine große Anzahl Aktionären, die ihr Kapital in die Unternehmung investiert haben, um aus den von der Gesellschaft erwirtschafteten Erträgen Dividenden zu erhalten. Diese gewinnwirtschaftliche Orientierung der AG entspricht allerdings wohl nicht dem gemeinnützigen Leitbild des Ökosystems.

    Die gemeinnützige AG

    Allerdings kennt das deutsche Gesellschaftsrecht auch eine gemeinnützige AG – kurz gAG – die gerade nicht auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichtet ist, sondern eine gemeinnützige Ausrichtung aufweist. Die Ausrichtung an gemeinnützigen Zielen – etwa der Förderung der Wissenschaft und Forschung, des öffentlichen Gesundheitswesens und der Verbraucherberatung sowie des Verbraucherschutzes – wird durch steuerliche Vergünstigungen zugunsten der gAG belohnt. Kehrseite des steuerlichen Sonderstatus der gAG sind allerdings die verhältnismäßig strengen Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts. Zu beachten ist vor diesem Hintergrund insbesondere, dass der Status der Gemeinnützigkeit gefährdet wird, wenn mehr als die Hälfte des Kapitals der gAG zur Finanzierung der Verwaltung und Spendenwerbung genutzt wird oder wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb einer gAG mit nicht begünstigten Betrieben derselben bzw. ähnlicher Art in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.

    Die gesetzlichen Vorgaben für die Organisation der gAG entsprechen ansonsten den für die AG geltenden Bestimmungen; insbesondere verfügt auch die gAG über einen Vorstand, einen Aufsichtsrat und eine Hauptversammlung. Der Vorstand ist für die Geschäftsführung der gAG verantwortlich, die wiederum auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke der gAG gerichtet sein muss.

    Die Holding

    Es ist möglich, die einzelnen Angebote des Ökosystems von unterschiedlichen Gesellschaften mit jeweils unterschiedlichen Rechtsformen zu betreiben, die allerdings unter dem gemeinsamen Dach einer Holding zusammengeführt werden. Eine Holding ist eine Strukturform, deren Hauptzweck in einer auf Dauer angelegten Beteiligung an einem oder mehreren rechtlich selbstständigen Unternehmen liegt.

    Ganz grundsätzlich sind zwei Arten von Holdinggesellschaften zu unterscheiden, die für das Ökosystem als „Dachorganisationen“ in Betracht kommen: die operative Holding und die Management-Holding. Die sog. operative Holding ist mit einem Mutterkonzern vergleichbar, von dem weitere Tochtergesellschaften strategisch und personell abhängig sind. Die Management-Holding hat dagegen kein eigenes operatives Geschäft, legt allerdings die strategischen Ziele der Tochtergesellschaften fest.

    Größter Vorteil dieser Holdingvariante ist ihre Flexibilität, da jedes Tochterunternehmen Strategien für sein Geschäftsfeld entwickelt. Die Holding ist nicht im deutschen Recht geregelt und entsprechend auch nicht an eine bestimmte Rechtsform gebunden. Regelmäßig werden Holdings in der Rechtsform der GmbH oder Aktiengesellschaft betrieben.

    Fazit

    Das Ökosystem muss selbst Träger von Rechten und Pflichten sein können, um handlungsfähig seine Zielrichtung verfolgen zu können. Damit scheiden sämtliche rechtliche Strukturen aus, die nicht rechtsfähig sind. Personengesellschaften werden den Anforderungen an eine partizipative Infrastruktur für das Gesundheitswesen nicht gerecht und können für eine Trägerschaft des digitalen Ökosystems ausgeschlossen werden.

    Eine öffentlich-rechtliche Struktur wäre zwar möglich, würde aber die Mitwirkung privatwirtschaftlich organisierter Akteure an dem Projekt insgesamt erschweren. Für eine möglichst breite Partizipation und eine hohe Flexibilität sollte daher eine juristische Person des Privatrechts als Organisationsrahmen angestrebt werden. Diese bietet relativ große Flexibilität im Hinblick auf strukturelle Anpassungen sowie das Zusammenwirken privater wie staatlicher Akteure an dem Projekt.

    Mit Blick auf die unterschiedlichen Funktionen, die durch das Ökosystem abgebildet werden können, bietet sich zudem die Wahl einer Holdingstruktur an, bei der eine übergeordnete Gesellschaft die Steuerung weiterer Tochtergesellschaften übernimmt, die jeweils wiederum ganz unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen könnten.

    (Beitrag veröffentlicht am 27.09.2023. Die hier getroffenen Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die Rechtslage in Deutschland. Sie stellen einen Leitfaden und keine individuelle Rechtsberatung dar, die über das Projekt Trusted Health Ecosystems“ hinausgeht.)

    Autorin

    Laura Schulte arbeitete während ihrer Promotion an einem Lehrstuhl für Verfassungsrecht als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie promovierte zu einem datenschutzrechtlichen Thema und forschte hierzu unter anderem auch an der Queen Mary School of Law in London. Von 2020 bis 2023 war sie als Rechtsanwältin in der Kanzlei BRANDI-Rechtsanwälte am Standort Bielefeld und dort im Fachbereich IT- und Datenschutzrecht tätig. Seit August 2023 ist sie Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Bielefeld.

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      Staatliches Informationshandeln: Was darf der Staat?

      Prof. Dr. Laura Schulte

      Bei der Entwicklung eines Trägermodells für eine nationale Gesundheitsplattform liegt es zunächst nahe, den Aufbau und Betrieb in einem öffentlich-rechtlichen Kontext zu verorten. Staatliches Informationshandeln – verstanden als jede Form der Kommunikation von Informationen, Warnungen oder Empfehlungen – unterliegt jedoch besonderen rechtlichen Anforderungen. Im Folgenden gehen wir der Frage nach, inwieweit überhaupt von staatlicher Seite Informationen zur Verfügung gestellt werden können und unter welchen Bedingungen es möglich bzw. ratsam ist, eine nationale Gesundheitsplattform als staatliches Informationsangebot zu betreiben.

      Herausforderung

      Staatliches Handeln basiert auf der Ausgangsannahme, dass insbesondere grundrechtsrelevante Aktivitäten einer rechtlichen Grundlage bedürfen, die nachträglich von den Gerichten überprüft werden kann. Verankert ist diese Annahme im Rechtsstaatsprinzip einem zentralen Element unserer Verfassung. Durch Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz wird insoweit unter anderem bestimmt, dass „die vollziehende Gewalt … an Gesetz und Recht gebunden“ ist. Für jede staatliche Aktivität, die sich auf die Grundrechtspositionen Dritter auswirken kann, ist daher zu prüfen, auf welcher Rechtsgrundlage sie sich entfaltet.

      Die Bereitstellung von Informationen durch eine staatliche Stelle ist als eine Form „staatlichen Handelns“ zu bewerten, da die Aktivität auf die Information der Bevölkerung gerichtet ist. Als Mindestvoraussetzung ist daher aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten, dass die staatliche Stelle zumindest im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben handelt. Die Information der Öffentlichkeit kann insoweit grundsätzlich als Annex der Aufgabenwahrnehmung legitimiert werden (Schoch, NVwZ 2011). Eine allgemeine Aufgabenzuweisung zum Aufbau und Betrieb eines staatlichen Informationsangebots genügt jedoch nicht, um die geplante Plattform rechtlich abzusichern.

      Hintergrund

      Offensichtlich legitimationsbedürftig sind Eingriffe durch staatliches Informationshandeln beispielsweise bei staatlichen Warnungen im Kontext von Verbraucherinformationen (Voßkuhle und Kaiser, JuS 2018): Sie sind meist gegen ein bestimmtes Produkt bzw. einen bestimmten Anbieter gerichtet, sodass ein Eingriff in die jeweilige unternehmerische Tätigkeit der Hersteller bzw. Anbieter der betroffenen Produkte oder Leistungen erfolgt. Betroffene Unternehmen können sich in diesem Fall auf ihre Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 GG und den Schutz ihres Unternehmerpersönlichkeitsrechts berufen.

      Dogmatisch liegt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts beim staatlichen Informationshandeln zwar kein Eingriff im klassischen Sinne vor, der durch einen Rechtsakt erfolgt; die Wirkung des Informationshandelns kommt einem klassischen Eingriff allerdings sehr nahe, sodass von einer eingriffsgleichen Maßnahme auszugehen ist (Voßkuhle und Kaiser, JuS 2018).

      Nach den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts ist für staatliches Informationshandeln zu prüfen, ob hierdurch der Wettbewerb verzerrt wird.

      „Bei umfangreicheren Informationssammlungen staatlicher Stellen ist auch zu berücksichtigen, inwieweit der staatliche Anbieter mit privatwirtschaftlichen Angeboten in einen Wettbewerb tritt.“

      Prof. Dr. Laura Schulte

      Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang Voraussetzungen herausgearbeitet, die für die Rechtmäßigkeit staatlichen Informationshandelns mindestens erfüllt sein müssen: Demnach muss (1) eine staatliche Aufgabe vorliegen und (2) die Zuständigkeitsordnung bei Erfüllung dieser Aufgabe eingehalten werden; außerdem müssten die Informationen (3) sachlich gehalten und inhaltlich richtig sowie die Informationstätigkeit insgesamt verhältnismäßig (4) sein.

      Eine Betroffenheit im Sinne eines Grundrechtseingriffs kann jedoch nicht nur vorliegen, wenn eine Warnung vor Produkten oder Leistungen erfolgt. Bei umfangreicheren Informationssammlungen staatlicher Stellen ist auch zu berücksichtigen, inwieweit der staatliche Anbieter mit privatwirtschaftlichen Angeboten in einen Wettbewerb tritt: Betätigt sich der Staat wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen, so sind auch alle für privatwirtschaftliche Anbieter geltenden Vorgaben einzuhalten. Das gilt insbesondere für wettbewerbs- und kartellrechtliche Regelungen.

      Doch auch wenn staatliche Stellen all diese Anforderungen erfüllen, können sich dennoch Verzerrungen am Markt ergeben, weil der Staat häufig über ganz andere Möglichkeiten zur öffentlichen Positionierung verfügt und bei der Finanzierung auf öffentliche Mittel zurückgreifen kann. So werden den Informationen von staatlicher Stelle oft eine höhere Relevanz und Glaubwürdigkeit zugeschrieben, als dies bei Informationsangeboten Dritter der Fall ist. Insofern ist bei einer privatwirtschaftlichen Betätigung staatlicher Stellen generell zu prüfen, inwieweit hierfür eine Rechtfertigung vorliegt und Wettbewerbsverzerrungen ausgeschlossen werden können. Hier ist auch von Bedeutung, ob Fremdinhalte verwendet oder eigene Inhalte vermittelt werden (vgl. hierzu auch Redaktionelle Erstellung vs. Brokering).

      Fazit

      In Abwägung der bisherigen Ausführungen und unter Berücksichtigung der Zielsetzung einer möglichst rechtssicheren Trägerschaft wäre der Betrieb einer nationalen Gesundheitsplattform in staatlicher Hand insgesamt kritisch zu bewerten. Zwar stehen Produktwarnungen oder andere direkte Benachteiligungen von Akteuren nicht im Fokus des Vorhabens, doch sonstige Anbieter digitaler Gesundheitsinformationen und -services könnten zumindest mittelbar beeinflusst werden.

      Vorzugswürdig erscheint daher ein Strukturansatz, bei dem Informationen nicht unmittelbar von einer staatlichen Stelle bereitgestellt werden. Allerdings bedeutet eine (Teil-)Finanzierung aus öffentlichen Mitteln nicht zwangsläufig, dass auch die Trägerschaft einer nationalen Gesundheitsplattform in staatlicher Hand liegen muss. Stattdessen könnte ein offenes Struktur- und Trägermodell in zivilgesellschaftlicher Hand als „Drehscheibe“ für Informationen dienen und Ausgangspunkt weiterer Angebote sein.

      Um eine unangemessene Einschränkung der Handlungsspielräume privatwirtschaftlicher Akteure zu vermeiden, ist eine staatsferne Trägerschaft zu präferieren. Gleichzeitig ist darauf hinzuwirken, die am Markt tätigen Unternehmen nicht auszuschließen oder zu benachteiligen.

      (Beitrag veröffentlicht am 27.09.2023. Die hier getroffenen Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die Rechtslage in Deutschland. Sie stellen einen Leitfaden und keine individuelle Rechtsberatung dar, die über das Projekt „Trusted Health Ecosystems“ hinausgeht.)

      Literatur

      Schoch, NVwZ 2011, 193 (196) unter Verweis auf OVG Hamburg, NVwZ-RR 2008, 241.

      Voßkuhle und Kaiser, JuS 2018, 343 (344) unter Verweis auf BVerfG, NJW 2002, 2621 – Glykolwein

      Autorin

      Prof. Dr. Laura Schulte arbeitete während ihrer Promotion an einem Lehrstuhl für Verfassungsrecht als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie promovierte zu einem datenschutzrechtlichen Thema und forschte hierzu unter anderem auch an der Queen Mary School of Law in London. Von 2020 bis 2023 war sie als Rechtsanwältin in der Kanzlei BRANDI-Rechtsanwälte am Standort Bielefeld und dort im Fachbereich IT- und Datenschutzrecht tätig. Seit August 2023 ist sie Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Bielefeld.

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